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Engel des Vergessens - Roman

Engel des Vergessens - Roman

Titel: Engel des Vergessens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallstein Verlag
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Kommunistische Partei aufnehmen. Es habe Schulungen gegeben, ein paar Aktivistinnen und Kämpfer hätten sogar die Aufnahmeprüfung geschafft, ein paar seien hingegen nur Kandidaten geblieben. Der General sei bis zum Kriegsende Kandidat geblieben, ein guter Kämpfer, aber für den Klassenkampf ungeeignet, habe ein Oberster in sein Zeugnis geschrieben, wie der General dem Vater erzählt habe. Er sei nach dem Krieg wieder nach Kärnten zurückgekehrt auf seinen Hof, sagt Vater. In Ljubljana wollten sie einen Funktionär aus ihm machen. Sie haben ihm neue Kleider gegeben und viel zu essen, aber er habe alles hingeworfen, wie ein paar andere auch, die er gut kenne. Jurci, ein Jagdkollege und Partisan aus Lepena habe ihm geschildert, wie es bei einer verbotenen politischen Versammlung nach dem Krieg zugegangen sei. Die Partisanenfunktionäre hätten den Anschluss Südkärntens an Jugoslawien verlangt und die Volksmassen aufgerufen, für die Revolution zu stimmen. Das sei ihm übertrieben vorgekommen, habe Jurci gemeint. Haben wir deshalb die Nazis verdroschen, um jetzt die Kommunisten zu lieben, fragte er sich, das werde er nie verstehen, nein, das ginge nicht in seinen Kopf, dieses Hopp oder Tropp, Madonna, das bringe nur Unglück, habe Jurci gesagt.
    * * *

Das Bildnis des unbekannten Partisanen aus den Gräben kann neu modelliert und aus der Rüstung befreit werden, die seine vielen Gesichter verhüllt.
    Ein Partisan muss sich mit der Landschaft verbünden, in der er kämpft. Er muss die Farben und Formen des Landstrichs annehmen, unsichtbar werden, ein Berg und ein Bach sein, eine Fichte, ein Haus, ein Hügel, ein Wald, ein Kauz, eine Schlange. Er muss sich mit der Wiese tarnen und den Laubmantel um sich schlagen. Er verschmilzt mit dem Weg und der Luft, er kann einmal hier, einmal dort auftauchen, er kann überall sein. Gestern hat man ihn in diesem Dorf gesehen, heute schon huscht sein Schatten über einen fernen Berg, den er umkreist. Er muss sein Haus und sein Feld, seine engere Heimat verteidigen. Ein Partisan muss sich wie ein Fisch im Wasser bewegen. Im Wasser der Menschen, im Menschengewässer, das der Feind trockenzulegen versucht, denn die Zivilbevölkerung bleibt im Gegensatz zu den Partisanen sichtbar, erkennbar. Ein Partisan kann am Tage einer zivilen Tätigkeit nachgehen, aber im Schutze der Nacht muss er laufen und zuschlagen. Ein Partisan schläft nicht, er hat die Nacht zum Tag gemacht, er kämpft, um die Moral des Gegners zu brechen, er flüchtet, weil die Flucht sein Triumph ist und sein Erfolg. Die Furcht ist sein Bruder, seine Schwester, sein Name, denn die Furcht vor dem Tod lässt ihn alles ertragen, den Hunger, den Ekel, die Einsamkeit. Die wildeste Verzweiflung kann ihn retten, die falsche Klugheit kann ihn vernichten. Das Wasser, in dem er schwimmt, wird ihn tragen und nähren, mit kleinen und großen Brocken, mit fettem und magerem Fleisch. Ohne das Wasser würde der Partisan zugrunde gehen, auf dem Trockenen liegen bleiben, im Schlamm ersticken. Es ist seine Luft zum Atmen, es ist sein verletzlicher Körper. Dieser Körper wird gestreichelt und geschlagen, geliebt und gehasst, gebraucht und getreten, gefühlt und gefürchtet, geschätzt und gebrochen. Er ist sein verlängerter Arm und sein steifes Bein, sein starkes Herz und sein schwaches Fleisch. Er ist sein größter Freund und sein bester Feind. Der Partisan wird dem Körper eine neue Gestalt, ein neues Gesicht geben, er wird ihn aus der Vergessenheit in das Licht der Aufmerksamkeit stoßen. Seine Entschlossenheit wird sich auf ihn übertragen. Die Wunden des Körpers werden ihn anfeuern, seine Verletzungen ihn antreiben, seine Verzweiflung wird ihn ermutigen. Er wird der Aufschrei sein, der dem Körper entfährt, er wird die Stimme sein, die für ihn spricht.
    Sobald der Krieg geschlagen ist, wird der unbekannte Partisan der Landschaft zurückgeben, was der Landschaft gehört. Er wird seine Tarnkleidung abstreifen und unter die Menschen gehen, die wieder Menschen geworden sind, in ihrer Gestalt, er wird unkenntlich bleiben aus Ähnlichkeit. In der Nacht wird er die Toten beweinen, am Tag seiner Arbeit nachgehen und den Frieden preisen. Er wird den Frieden über alles stellen und den siegreichen Armeen den Triumph überlassen. Seine Ehre wird aus der Gewissheit wachsen, die Demütigung zurückgewiesen zu haben, nein gesagt zu haben, eine Grenze zwischen sich und die Ungerechtigkeit gezogen zu haben. Seine gebrechliche Hoffnung wird ihm

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