Engel für den Duke
bald vorüber. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er seine Tante zum Abendessen treffen. An diesem Abend würde Lily ihnen Gesellschaft leisten, zum ersten Mal seit dem Unfall.
Royal fluchte leise, als er in sein Zimmer trat und die Tür hinter sich schloss.
5. KAPITEL
S ie wollte nicht gehen. Lily überlegte, ob sie Kopfschmerzen vortäuschen sollte, so wie an den letzten beiden Abenden, aber sie durfte ihre Gastgeber nicht länger missachten. Doch die Vorstellung, das Abendessen in Gesellschaft des Duke einzunehmen, beunruhigte sie. Jedes Mal, wenn sie ihn traf, fühlte sie sich nervös, errötete leicht und wusste nicht recht, was sie sagen sollte.
Es war lächerlich. Er war schließlich nur ein Mann, nicht der goldhaarige Engel, den sie zusammenfantasiert hatte, als sie im Schnee gelegen hatte.
Er sah gut aus, ja. Aber Schönheit war etwas Oberflächliches. Auf den Bällen und Soireen, die sie mit Jo besucht hatte, waren ihr Dutzende von gut aussehenden Männern begegnet. Es hatte sie nie zuvor interessiert.
Lily verstand das nicht. Als Kind war sie sehr schüchtern gewesen, doch in den Jahren, die sie bei ihrem Onkel verbracht hatte, hatte sie gelernt, diese Schüchternheit zu überwinden. Nachdem sie so lange in Jocelyns Schatten gelebt hatte, schien diese Scheu nun zurückzukehren.
Dennoch kam sie gewöhnlich in der Gesellschaft des anderen Geschlechts gut zurecht. Vielleicht lag es daran, dass sie wusste: Dieser eine Mann gehörte ihrer Cousine.
Als das Hausmädchen Penny ihr half, die Knöpfe auf der Rückseite ihres blassblauen Seidenkleides zu schließen, fragte sie sich, wann Jo wohl eintreffen würde, und hoffte, es würde bald geschehen. Je schneller der Duke seine hinreißende zukünftige Braut kennenlernte, desto eher würde diese lächerliche Anziehung, die Lily sich widerstrebend eingestehen musste, vorüber sein.
Man konnte sich kaum zu einem Mann hingezogen fühlen, der einen praktisch gar nicht bemerkte. Und aus Erfahrung wusste sie, dass der Duke genau das tun würde, sobald Jocelyn eintraf.
„Oh, Sie sehen hinreißend aus, Miss.“
Lily lächelte das Mädchen an. „Danke, Penny.“ Sie betrachtete sich im Spiegel, zufrieden mit den Änderungen, die sie an Jos abgelegtem Kleid vorgenommen hatte. Sie hatte die Rüschen am Saum und am Mieder entfernt und nur eine einzige Rüsche am Ausschnitt belassen, an die sie ein paar winzige Perlen genäht hatte.
Das Kleid sah aus wie neu, was es gewissermaßen auch war, denn Jo trug ein Kleid selten mehr als ein Mal und reichte es dann gern an Lily weiter, die es ändern durfte, wie es ihr gefiel.
Sie ging zur Kommode, öffnete das kleine Kästchen aus Rosenholz, das sie mitgebracht hatte, und nahm eine reizende pfirsichfarbene Kamee heraus, die an einem schwarzen Samtband hing. Es war kein teures Schmuckstück, aber es war ihr liebstes, ein Geschenk der Caulfields zu ihrem achtzehnten Geburtstag.
Sie hielt es Penny hin und drehte sich dann um. „Könntest du es mir bitte anlegen?“
„Natürlich, Miss.“
Penny schloss das Band in ihrem Nacken. Das helle Haar hatte sie Lily zurückgebunden, sodass es ihr in Locken über die Schulter fiel, und damit fühlte sich Lily jetzt bereit, dem Duke und seiner Tante beim Abendessen gegenüberzutreten.
Sie holte noch einmal tief Luft, um sich zu wappnen, dann ging sie aus dem Zimmer und die breite Mahagonitreppe hinunter. Der Duke und seine Tante saßen plaudernd in einem der Vorzimmer zum Speisesaal. Lily hatte auf einen weniger formellen Abend gehofft, aber da die Dowager Countess zu Besuch weilte, kam das natürlich nicht infrage.
„Ah, Miss Moran“, sagte der Duke und kam zu ihr. „Wir hatten Angst, dass sie wieder einen Zusammenstoß mit den Küchenmädchen gehabt haben könnten.“
Er lächelte und neckte sie, aber da seine Tante mit ihnen im Zimmer war, war ihr das peinlich. „Nichts dergleichen, das kann ich Ihnen versichern.“ Ihre Wangen glühten. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht warten lassen.“
„Ganz und gar nicht“, erklärte die Dowager Countess mit einem Lächeln. „Royal hat mir von dem Zwischenfall mit dem Mehl in der Küche erzählt. Als ich das letzte Mal hier war, stolperte ich und fiel der Länge nach im Garten ins Gebüsch. Die Sträucher waren kurz zuvor gewässert worden, und als ich wieder aufstand, sah ich aus wie eine nasse Katze.“
Lily lachte, dankbar, dass die ältere Frau versuchte, ihr die Verlegenheit zu nehmen, und es schien funktioniert
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