Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
necken. So nannte er mich im Spaß immer »Rambo«, wenn ich gerade einen frisch reparierten Autoreifen in den Kofferraum eines Kunden wuchtete (ich habe übrigens gerade mal einen Meter fünfzig lichte Höhe!) und zog mich damit auf, der Minirock meiner Arbeitsuniform sei viel zu kurz – womit er wohl recht hatte!
Ich liebte es sehr, wenn ich meinen Vater zum Angeln begleiten durfte und nutzte jede Gelegenheit dazu. Wir waren schon in meiner Kindheit immer zusammen fischen gegangen und daran änderte sich weder etwas, als ich meine Arbeit in der Tankstelle begann, noch als ich später heimlich mit Joe ausging. Dabei hatte ich gar nicht jedes Mal meine Angelrute mit, vielmehr genoss ich die Stille an einem Flusslauf und die Zeit zusammen mit meinem Vater. Eines Tages wollte er zum Fischen in die Berge des County Wicklow. Wir brachen früh mit Vaters Wagen auf und nahmen wie immer auch ein Picknick mit, ergänzt durch einen Campingkocher und Tassen für unseren Tee.
Der Tag war kühl, wir hatten schon ein oder zwei Stunden geangelt und Paps eine Forelle an Land gezogen, als es anfing zu regnen. Am Flussufer, nicht weit entfernt, stand im Schutz einer Baumgruppe eine alte verfallene Hütte. Paps meinte, das sei der richtige Platz um unterzukriechen, ein Feuer anzumachen und Tee aufzubrühen – dort wären wir wenigstens vor der Kälte geschützt. Er ging also voraus und als wir näher herankamen, fiel mir
auf, dass um die Bäume herum kein Energiefeld bestand und der ganze Ort überhaupt sehr dumpf und trübe wirkte.
Der Engel Michael berührte meine Schulter. »Dieser Ort wird dir möglicherweise Angst einjagen«, warnte er mich, »wir wollen dir nämlich etwas Schlimmes zeigen. Dir wird nichts geschehen, aber es wird auf dich reagieren, sobald du die Hütte betrittst. Es wird sich sehr aggressiv verhalten, dich aber nicht anrühren.«
Bis zu diesem Tag war mir der Anblick des Bösen erspart geblieben.
»Ist es ein Geist?«, erkundigte ich mich.
»Nein, Lorna, es ist eine ganz andere Art von Kreatur«, gab Michael zur Antwort.
Paps rief mir zu, ich solle mich beeilen. Als ich aufblickte, war er mir schon ein ganzes Stück voraus und dabei, zu einer Bank vor der Hütte hinaufzusteigen. Als ich mich wieder nach Michael umwandte, war er verschwunden.
Ich rannte los und holte meinen Vater ein. Wir liefen unter den Bäumen entlang. Alles hier schien mir tot – die Bäume trugen keine Blätter und rundherum wuchsen weder Blumen noch Gras. Die Tür der Hütte stand offen, hing ein Stück aus den Angeln, Teile des Türbretts fehlten. Auch das Dach und die Fenster waren stark beschädigt. Mein Vater ging hinein: Im Inneren gab es einen alten zerbrochenen Holztisch und Stühle. Ich fand den Raum eiskalt, aber Paps kümmerte das nicht, er steuerte direkt auf den Kamin zu.
Ich stand drinnen, an die kaputte Tür gelehnt – und konnte mich nicht rühren. Im Stillen sagte ich immer wieder zur mir: »Oh, mein Gott, oh, meine Engel.« Rechts neben dem Kamin konnte ich ein Wesen ausmachen. Etwas Derartiges hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen: Es war einen knappen Meter lang, etwa halb so dick und sah aus wie geschmolzenes Wachs. Es war furchtbar und bot einen furchtbaren Anblick.
Und ich kann noch nicht einmal sagen, ob es einen Mund oder Augen besaß.
Mir war klar, dass mein Vater nichts sehen oder spüren konnte. Er sammelte Holzstücke vom Boden auf, schichtete sie in den Kamin und hielt ein Streichholz daran. Im selben Moment ereignete sich eine Art Feuer-Explosion, groß und lautstark, die sofort auf den Raum übergriff. Das Wesen schien über eine ungeheure Energie zu verfügen: Es schleuderte Böses in die Umgebung! Es war völlig in Rage, beanspruchte den Ort für sich und wollte uns nicht dort dulden. Aus seiner Sicht waren wir unbefugt hier – Eindringlinge.
Unmittelbar nach der Feuer-Attacke bewegte sich einer der Stühle und flog quer durch den Raum gegen die hintere Wand, zersplitterte beim Aufprall.
Paps sprang los, ergriff mich bei der Hand, packte im Vorbeirennen noch seine Tasche und trat die Tür auf. Er zerrte mich nach draußen, wir rasten, was unsere Füße hergaben, unter den Bäumen hindurch zurück zum Flussufer. Paps war schneller als ich und schleifte mich hinter sich her. Schließlich – völlig außer Atem – verlangsamten wir unser Tempo. Der Regen hatte aufgehört und die Sonne war herausgekommen, ich spürte ihre Wärme auf meinem Gesicht.
Schweigend versuchte mein
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