Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
Schwester ebenfalls heraufsteigen. Nachdem ich das Zimmer mit Emer teilte, dachte ich, sie würde hereinkommen, doch stattdessen ging sie zusammen mit unserer Mutter in deren Schlafzimmer. Ich konnte sie zwar reden hören, war jedoch viel zu stark von meiner Vorfreude auf den Abend mit Joe erfüllt, um Notiz davon zu nehmen. Heute ist mir klar, dass Mam Emer regelrecht ins Verhör genommen haben muss. Als ich das Zimmer verließ, standen beide auf dem Treppenabsatz und Emer warf mir einen schuldbewussten Blick zu.
»Stimmt etwas nicht?”, erkundigte ich mich.
Meine Mutter schrie mich an: »Was glaubst du, wohin du gehen wirst?«
Ich war entsetzt! So hatte ich meine Mutter noch nie erlebt. Ich sagte ihr, ich würde in die Innenstadt fahren. Meine Mutter schrie weiter, sie fordere eine Antwort auf die Frage, ob es wahr sei, dass ich mit einem der Tankwarte von Vaters Tankstelle liiert sei. Und dann rastete sie komplett aus: »Du hast etwas mit diesem Joe! Wie lange geht das schon? Ich wünsche das zu wissen! Und ab sofort ist Schluss damit!«
Meine Mutter war völlig außer sich. Ich sah sie an und sprach mit sehr klarer Stimme: »Ich treffe mich schon seit Monaten mit Joe und daran wird sich auch nichts ändern. Und jetzt gehe ich los, denn ich bin mit ihm verabredet. «
Als ich mich abwenden und die Treppe hinunterlaufen wollte, grapschte meine Mutter nach meinem Arm und begann, daran herumzuzerren, während sie ununterbrochen weiter schrie: »Wie kannst du es wagen, uns eine solche Schande zu machen – mit einem aus der Unterschicht etwas anzufangen!«
Meine Mutter in einem solchen Zustand zu sehen, bestürzte mich tief – das war eine Seite an ihr, die ich noch nie zuvor wahrgenommen hatte. In ihren Augen stand Joe sozial unter uns. Ich warf ihr einen Blick zu und ging dann weiter die Treppe hinunter, während sie immer noch an meinem Arm zerrte und schimpfte: »Du wirst nicht zum Bus gehen und den jungen Mann, diesen Joe, treffen!«
Hinter meiner Mutter stand ihr Schutzengel und weinte; einige seiner Tränen tropften dabei auf ihren Kopf. Unser Vater hatte in der Zwischenzeit den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft, sie besaßen nun ein eigenes Haus – und Mam hatte darüber vergessen, dass unsere ganze Familie einmal heimatlos gewesen war und sich glücklich schätzte, als uns endlich das Haus aus dem
sozialen Wohnungsbau zugewiesen wurde. Wie damals so viele irische Familien, waren auch wir sehr arm gewesen. Die Tatsache, dass sie selbst aus einer wohlhabenden Familie stammte, hatte die Situation für Mam vielleicht nur noch verschlimmert. Ihre Leute gaben ihr zu spüren, dass sie »unter ihrem Stand« geheiratet hatte.
Nachdem sie sich immer noch an mich klammerte, musste ich jetzt einen sehr entschiedenen Ton anschlagen: »Lass meinen Arm los, du tust mir weh. Ich will den Bus nicht verpassen. Du wirst die Tatsache akzeptieren müssen, dass Joe und ich zusammen sind.«
Als Mams wundervoller Engel sich über sie beugte und ihren ganzen Körper in seine Arme schloss, ließ sie meinen Arm los.
Ich zog ihn weg und sagte: »Mam, ich hab’ dich lieb.«
Dann rannte ich die Treppe hinunter, aus der Tür und die Straße entlang zur Bushaltestelle. Im Bus dachte ich an meine Mutter und ihren Schutzengel.
Joe erwartete mich schon an der Haltestelle in der Innenstadt. Ich war so glücklich ihn zu sehen, dass ich ihm um den Hals fiel, habe ihm aber nie verraten, wie aufgeregt ich war. Und niemals habe ich Joe auch nur ein Sterbenswörtchen davon erzählt, was meine Mutter gesagt hatte – ich wusste, wie sehr es ihn gekränkt hätte.
Wir schlenderten in Richtung Maguire’s, ein Pub, wo an diesem Abend Musik gespielt werden sollte – ich habe schon immer leidenschaftlich gerne Musik gehört. Joe trank ein Guinness, ich hielt mich an Limonade, denn ich machte mir nicht viel aus Alkohol. Die Musik und Joes Arm um meine Schultern ließen mich allmählich wieder zur Ruhe kommen – ich dachte kaum noch an die Szene mit meiner Mutter.
Ein paar Tage danach sprach mein Vater mich auf die Sache an: »Ich habe von deiner Mutter erfahren, dass Joe und du, dass ihr ein Paar seid.«
Er fügte hinzu, er habe schon bemerkt, dass da irgendetwas war zwischen uns, sei aber nicht auf die Idee gekommen,
dass wir längst befreundet waren. »Du meine Güte, du hast wirklich ein großes Geheimnis daraus gemacht.«
Und dann sagte er mir noch, für ihn zähle allein, dass ich glücklich sei. Und er tat eine Menge für
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