Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
gut gehen.
Ich sehe Menschen aus Geschäften laufen, Engel, die um Hilfe rufen und versuchen, die Aufmerksamkeit der Passanten zu erringen.
Es ist grauenvoll.
Ich kann meinen eigenen physischen Körper nicht spüren, es ist, als wäre ich an zwei Orten gleichzeitig: auf der Straße, wo die Ereignisse stattfinden, und drinnen im Kaufhaus, neben einem Kleiderständer. Ich bewege mich auf der Straße, aber meine Füße scheinen den Boden nicht zu berühren. Überall fliegen Trümmer durch die Gegend, Glasscherben, Menschen schreien und weinen, Seelen verlassen ihre Körper. Im Vorübergehen strecke ich meine Hände aus, lege sie auf Menschen und berühre sie.
An jenem Tag hat sich meine Seele von meinem Körper entfernt und ich befand mich in einer anderen Welt – draußen auf der Straße bei denen, die litten. Erst allmählich kam ich wieder zu meinem Selbst im Kaufhaus zurück. Meine Hände waren ganz rot angelaufen und mir wurde bewusst, dass ich mich eisern an die Stange eines Kleiderständers geklammert hatte. Im ganzen Geschäft herrschte Stille.
Im nächsten Augenblick platzte ein Mädchen durch die Eingangstüre herein, tobend und schreiend vor Angst. Sie rannte durch das ganze Erdgeschoss und schrie, es seien Bomben explodiert und es lägen überall menschliche Körper verstreut. Sie war auf der Suche nach ihrer Schwester, die auch in meiner Abteilung arbeitete. Irgendwie liefen sich die beiden Mädchen in die Arme und die junge Frau beruhigte sich ganz allmählich wieder.
Dann eilte jemand von der Geschäftsleitung ins Hauptbüro und verkündete über die Lautsprecheranlage, dass sämtliche Angestellten sich binnen fünf Minuten am Hintereingang des Gebäudes einfinden sollten, von wo aus sie nach Hause gebracht würden.
Ich wusste, jetzt war der ganze Albtraum vorüber! An diesem Tag würden in Dublin keine weiteren Bomben mehr hochgehen. Auf meinem Weg hinunter in die Garderobe
flüsterte ein Engel mir ins Ohr, ich solle umkehren und vom Telefon am Lieferanteneingang aus erst einmal meine Mutter anrufen. Also drehte ich um, lief zurück zum Telefon, rief Mam an und sagte ihr, mir sei nichts passiert. Dann rannte ich zurück nach unten, wobei mir die anderen Angestellten auf dem Weg zum Hintereingang schon auf der Treppe entgegenkamen, und schnappte mir meinen Mantel.
Draußen standen unsere Lieferwagen bereits in Reihe und jeder Fahrer rief den Namen des Bestimmungsorts, den er ansteuern würde. Ich kletterte in den LKW, der in Richtung des Hauses von Joes Mutter fahren sollte und wurde sogar bis vor die Tür gebracht. Drinnen saßen alle vor dem Fernseher und verfolgten die Nachrichtensendungen. Joes Mutter fiel mir um den Hals und sagte, sie sei in großer Sorge um mich gewesen. Nach einer guten Tasse Tee ging es mir allmählich wieder besser. Das Abendbrot wurde mir direkt vor die Nase gestellt und ich verspürte solchen Hunger, als hätte ich schon wochenlang nichts mehr gegessen. Als Joe heimkam, schloss er mich in seine Arme. Uns allen liefen die Tränen herunter, wir fühlten den Schmerz der Familien mit, die geliebte Menschen verloren hatten und dachten auch an alle, die Verletzungen davongetragen hatten. An jenem 17. Mai 1974 kamen in Dublin 26 Menschen und ein ungeborenes Kind ums Leben – Hunderte wurden verletzt.
Hier bei uns in der Republik Irland hatten wir bis zu jenem Tag wenig Bekanntschaft mit den Gräueln des Krieges gemacht, doch im weniger als 300 Kilometer entfernten Nordirland wurden in den Jahren von 1969 bis 2000 weit über 3000 Menschen getötet. Bis dahin besaßen wir kaum eine Vorstellung davon, was es für die Menschen in Nordirland oder irgendeinem anderen Teil der Welt bedeutete, in der ständigen Angst leben zu müssen, es könnte jeden Moment – ohne die geringste Vorwarnung – wieder eine Bombe hochgehen.
Der Engel Elija sagte einmal zu mir: »Krieg zu führen ist einfach, Frieden zu bewahren das Schwerste von allem. Ihr denkt, wenn ihr einen Krieg anfangt, übernehmt ihr die Kontrolle. Dabei vergesst ihr jedoch, wer euch die Macht gegeben hat und dass er jederzeit die Kontrolle übernehmen kann.«
Noch lange nach den Bombenexplosionen wurden mein Körper und meine Seele immer wieder von Schockwellen getroffen, geistig, körperlich und emotional. Ich konnte die Schrecken der Getöteten und der Verletzten spüren, genauso wie das Entsetzen ihrer Familien und Freunde. Ich vernahm ihre Stimmen, konnte ihr Weinen hören. Noch monatelang erschienen Gesichter vor
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