Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
gekommen war, hatte er nicht vollständig ausreifen können, was sich darin bemerkbar machte, dass sich seine Hüftgelenke infolge der Reifungsstörung viel weiter drehen konnten als normal. Er bewegte sich derart schnell, dass mir der Atem stockte, wenn ich ihn beobachtete, und er konnte drei oder gar vier Purzelbäume schlagen, um am Schluss dann doch wieder auf seinen Füßen zu landen. Es war, als wäre er von der Taille abwärts übergelenkig. Oft, wenn ich Owen sich überschlagen sah und vor Schreck die Luft anhielt, bemerkte ich in jeder Richtung um ihn herum wirbelnde Lichtblitze von Engeln, die ihn beschützten. Wenn man ihn so beim Herumkugeln beobachtete, hätte man meinen können, er würde sich jeden Moment alle Knochen brechen, doch es passierte nichts dergleichen! Die Kinderärzte in der Klinik meinten, Owens Hüftgelenke würden vor seinem siebten Lebensjahr nicht vollständig nachgereift sein, woraufhin ich oft zu Joe sagte, ich sei ganz wild darauf, endlich Owens siebten Geburtstag zu feiern, um dann endlich wieder frei atmen zu können.
»Lorna«, fragte mein Vater, »was meinst du, würdet ihr, du, Joe und die Kleinen, im Sommer gerne mit Mam und mir verreisen – in das Häuschen in Mullingar?«
Ich war hell entzückt. Joe und ich hatten noch nie Ferien gemacht – nicht einmal in den Flitterwochen. Der Gedanke an einen Tapetenwechsel begeisterte mich.
»Das wäre großartig«, antwortete ich, »wir kommen natürlich sehr gerne! Ich hoffe nur, dass Joe in der Zeit Urlaub kriegt.«
Joe hatte sich zwar von seiner Blinddarmentzündung erholt, aber ich konnte an dem roten Energiefeld um den Appendix herum ablesen, dass sie wieder aufflackern würde. Er hatte erst vor kurzem einen Job in der ortsansässigen Teppichfabrik angetreten: Wolle waschen und färben – harte körperliche Arbeit unter stressigen Bedingungen – und die meiste Zeit hatte er Nachtschicht. Diese Tätigkeit war seiner Gesundheit sicher nicht zuträglich, aber wir brauchten das Geld.
Einer der Vorteile seiner neuen Stelle – neben dem geringen, aber regelmäßigen Lohn – war die Tatsache, dass Joe sehr günstig an ungefärbte Wolle herankam. Als Kind hatte ich zwar nur wenig gestrickt, aber jetzt, wo wir sozusagen an der Quelle saßen, strickte ich ohne Ende, auch wenn meine Pullover alle dieselbe Farbe hatten: schafwollweiß! Ich strickte Aransweater für die Kinder, für Joe und Paps. Mein Vater liebte seinen Aranpullover sehr und trug ihn außer im Dienst sehr häufig.
An diesem Tag saßen mein Vater und ich ein paar Minuten zusammen, tranken Tee und unterhielten uns. Die Kinder freuten sich auch gleich riesig auf die Reise und fragten ihrem Opa Löcher in den Bauch: zum Beispiel wo und wie denn das Häuschen sei, und ob es im Garten Bäume gebe.
»Der Garten ist verwildert, mit vielen Bäumen und Gras so hoch wie ihr selbst. Und dann verläuft dort auch noch eine schmale Landstraße, alles überwachsen wie im Dschungel. Es wird euch großartig gefallen.«
»Wann können wir denn dorthin?«, wollten sie immer wieder wissen und ich antwortete ebenso häufig: »Nicht, bevor euer Opa und euer Vater freihaben werden.«
Paps trank seinen Tee und dann ging er für ein Weilchen mit den Kindern hinaus in den Garten. »Bis bald, Lorna, ich geh’ jetzt«, rief er etwas später zum Abschied.
Der letzte Tag vor unserem Urlaub war ein richtig schöner, warmer Sonnentag; es wehte kaum ein Lüftchen, doch als ich meine Wäsche draußen aufhängte, kam plötzlich ein starker Wind auf. Ich wusste, dass es sich hier nicht um eine normale frische Brise handelte und lachte los.
»Ich wette, das bist du, Engel Hosus«, rief ich. »Was hast du vor? Willst du mir meine Wäsche von der Leine pusten?«
Auf einen Schlag war er da: Wie immer vollführte er seine Spielchen und Kunststückchen, um mich zum Lachen zu bringen. Mit einem Mal verschwand er wieder, wie ein Licht, das sich im Dunst verliert. Er ist ein wundervoller Engel. Und an diesem Tag »ertappte« ich meinen Sohn Christopher dabei, wie er dastand und starr in diese Richtung blickte – ich konnte an seinen Augen ablesen, dass er dasselbe gesehen hatte wie ich. Er hat nie ein Wort darüber verloren, bis heute nicht; vielleicht hat er den kleinen Vorfall vergessen, vielleicht aber kehrt er ihm beim Lesen dieser Zeilen auch ins Gedächtnis zurück. Ich weiß es nicht und werde in Ruhe abwarten.
Als unser erster Ferientag anbrach, zermarterte ich mir den Kopf, wie wir denn
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