Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
entdeckte aber niemanden. Ich schleppte den Torf-Eimer ins Haus und dort, im Stuhl neben dem Kamin, hatte ein Engel Platz genommen.
Er erschreckte mich, weil er so auffallend anders war als die anderen Engel, denen ich bisher begegnet war. Er wirkte wie aus gezacktem Glas zusammengesetzt, aus identisch großen, perfekt angeordneten Glassplittern, die allesamt Licht reflektierten. Sein Gesicht war markant, die Züge scharf geschnitten. Als er später aufstand, dürfte er etwa 3,60 Meter Höhe erreicht haben, denn sein Kopf stieß beinahe an die Zimmerdecke. Am ungewöhnlichsten erschien mir jedoch, dass aus seiner ganzen Gestalt heraus Musik erklang – bezaubernde, weiche, sanfte Töne, anders als alles, was ich bis dahin je gehört hatte. Und sicher nicht von dieser Welt, eher die Art Musik, wie man sie mit dem Himmel in Verbindung bringen würde.
»Hallo, Lorna«, auch seine Stimme war überaus sanft: »Mein Name ist Kaphas. Es steht euch ein besonderes Ereignis bevor, euch beiden, aber vor allem Joe.«
»Engel Kaphas, kannst du mir sagen, wann das sein wird?«, erkundigte ich mich.
»Bald schon, Lorna, du wirst es wissen, wenn die Engel auf euer Haus herabsteigen.« Mit diesen Worten erhob er sich aus dem Sessel und war verschwunden.
Die Wochen gingen ins Land, ich weiß nicht mehr wie viele, und es wurde ständig kälter. Joe trauerte immer noch sehr um unser verlorenes Kind, genau wie ich, nur tat ich mich ein bisschen leichter damit, weil ich es ja schon vorher gewusst und mich an den Gedanken hatte gewöhnen können. Das Wetter wurde zunehmend schlechter, draußen war es bitterkalt – es herrschte richtige Eiseskälte – und es schneite ungewöhnlich heftig.
Nachdem er an einem Abend von der Arbeit heimgekommen war, beschloss Joe, zusätzliche Lebensmittel einzukaufen. Ich werde nie vergessen, wie er mit Einkaufstüten beladen wieder vor der Tür stand. Beim Hereinkommen wollte er gerade sagen: »Oh, Gott, ist das kalt…« doch als er eben das Wort »Gott« aussprach, stiegen Engel auf unser Häuschen herab.
Es war, als gelangten sie von überallher ins Haus: durchs Dach, durch die Wände und sogar durch die Fußböden. Jeder winzigste Bestandteil unseres cottage schien voller Engel. Das war mir schon vorher begegnet – und geschieht auch noch heute –, wenn ein ganz besonderes Ereignis angekündigt werden soll. Ich wusste sofort, das war es, worauf Engel Kaphas angespielt hatte – etwas ganz Spezielles für Joe.
Nun setzte Joe seinen angefangenen Satz fort: »… man weiß ja nie, vielleicht können wir bei dem Schnee morgen gar nicht vor die Tür.« Er lag tatsächlich schon beträchtlich hoch; das Radio brachte Meldungen über starke Verkehrsbehinderungen und gesperrte Straßen, so war beispielsweise die Straße nach Leixlip wegen ihrer Schnee- und Eisdecke gar nicht mehr befahrbar.
An diesem Abend ließen wir das Feuer im Kamin nicht mehr ausgehen – denn nach einem Stromausfall war dieses auch noch unsere einzige Lichtquelle. Ich weiß noch, wie wohlig warm und angenehm wir es in unserem
Häuschen hatten. Die Kinder schliefen schon, wir besaßen reichlich Heizmaterial und Lebensmittelvorräte – das vermittelte ein trautes Gefühl, ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Gegen 22 Uhr hatten Joe und ich es uns vor dem Kamin gemütlich gemacht, wir tranken unseren Tee, verspeisten die Sandwiches und sprachen von unserem verlorenen Kind. Und als wir so miteinander dasaßen, gaben wir dem Kleinen einen Namen.
Der Raum erglänzte im Licht der Engel, und ich bemerkte, dass einige davon in unser Schlafzimmer gingen. Als sie in unser kleines Wohnzimmer zurückkamen, hörte ich sie über Christopher und Owen sagen: »Die beiden schlafen ganz friedlich, wie kleine Engel.«
Alles wurde still; es war kein Laut zu vernehmen. Ich stand von meinem Sessel auf und lugte aus dem Fenster, draußen war es pechschwarze Nacht, nur der frisch gefallene Schnee sorgte mit seinem milden Leuchten für ein wenig Helligkeit. Ich war ein wenig ängstlich und aufgeregt: Zwar wusste ich nicht, welches Ereignis die Engel zulassen würden, aber es war ganz klar eines der besonderen Art.
In der nächsten Minute ertönten drei Klopfzeichen am Fenster. Joe und ich gerieten buchstäblich ganz aus dem Häuschen. Er sagte: »Du lieber Himmel, es ist jemand draußen.«
Als er sich gerade aus seinem Sessel erhob, klopfte es im selben Moment drei Mal an die Vordertür. Ich sagte: »Denen muss sehr kalt sein. Vielleicht
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