Engel küssen besser

liebe ihn trotzdem.”
    “Natürlich tust du das. Und er ist ja auch ein ganz toller Drache.” Gloria merkte, dass sie es anders versuchen musste. “Ich kenne ein Wort, mit dem du Sams Aufmerksamkeit bekommen würdest, ohne dass ihr beide Ärger bekommt.” Sie zögerte und ließ den Gedanken im Raum stehen. “Soll ich dir das Wort verraten?”
    Allie drückte auf den Startknopf und beobachtete das Licht, das unter der Scheibe entlangwanderte. “Ich glaube wirklich, dass da ein Stern drin ist. Er ist heller als die Sonne!”
    “Hm, das ist hell. Möchtest du das Wort nicht hören, mit dem du Sams Aufmerksamkeit bekommen würdest?”
    Allie hob die Kopie von Glorias Hand hoch. “Ich möchte auch ein Bild von meiner Hand. Aber lass den Deckel oben, ‘kay? Ich möchte den Stern sehen.”
    Gloria half dem Kind, seine Hand richtig auf die Glasplatte zu legen. “Aber wenn du das Wort nicht kennst, an das ich denke, dann ist es auch in Ordnung. Du hättest es wahrscheinlich sowieso nicht sagen können.”
    Allison schaute Gloria nachdenklich an, doch sie sagte nur: “Ich bin fertig. Drück auf den Knopf.”
    Offensichtlich verstand eine von ihnen die Grundsätze der Psychologie nicht. Gloria drückte auf den Knopf und hielt Allisons Hand fest, während der Stern seine Wanderung unter der Glasplatte machte. Vielleicht sollte sie ihre Strategie etwas ändern. “Weißt du, Allie, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass du es gar nicht sagen könntest.”
    “Könnte ich wohl, wenn ich wollte”, versicherte das Mädchen ihr.
    “Glaube ich nicht. Du bist ja erst fünf.”
    “Und nächstes Jahr gehe ich in die Schule.”
    “Das weiß ich, aber dieses Wort ist trotzdem zu schwer für dich.”
    Mit einem Seufzer schluckte Allison schließlich den Köder. “Das ist nicht schwer für mich. Nenn mir das Wort, und ich sage es dir.”
    “Sagen ist nicht das Schwere daran. Es immer wieder statt der anderen Wörter zu benutzen, das ist das Schwere daran.”
    “Ich kann auch Schweres, Gloria. Und ich kann schwere Wörter sagen.”
    Gloria nutzte die Gelegenheit aus. “Und du wirst nicht böse, wenn du es nicht sagen kannst?”
    Allison stemmte eine Hand auf die Hüfte. “Ich werde nicht böse, weil ich jedes Wort sagen kann, das ich will.”
    Stirnrunzelnd setzte sich Gloria auf den Boden und streckte die Beine aus. Sie lehnte sich an den Kopierapparat und tat so, als ob sie gründlich nachdenken musste. “Sam wird sicher sehr erstaunt sein, wenn er dich dieses Wort sagen hört, Allie. Du bekommst sofort seine Aufmerksamkeit.” Sie versuchte mit den Fingern zu schnipsen, aber sie rutschten ab und machten kein Geräusch. “Schon bei dem Gedanken daran, was er sagen wird, muss ich lachen.”
    “Er wird sagen …”, Allie senkte ihre Stimme, um in seiner Tonlage zu sprechen, “‘junge Dame’, wird er sagen, ‘wo haben Sie dieses Wort gehört?’” Sie landete kichernd neben Gloria auf dem Boden. “Und dann sage ich ihm, dass du es mir beigebracht hast.”
    “Willst du, dass ich Ärger mit Sam bekomme?” Gloria hielt Allie fest und kitzelte sie unterm Kinn. “Das würdest du mir doch nicht antun, oder?”
    “Doch.” Allie kicherte weiter, während sie das Kinn fest auf die Brust drückte. “Aber du wirst nicht wirklich Ärger bekommen, Gloria. Ich bringe Sam nur zum Lachen, weil er so überrascht sein wird, wenn ich …” Sie schaute Gloria von der Seite an. “Was ist das Wort, das ich sagen soll?”
    “Daddy.”
    “Daddy?”
    Gloria nickte. “Findest du nicht, dass es das ideale Wort ist, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen?”
    Man konnte sehen, wie die Idee in Allies Kopf arbeitete und ihr Gesicht immer mehr zum Strahlen brachte. Sie packte Hunny an seinem dünnen Hals und erhob sich. “Das muss ich sofort ausprobieren.”
    “Warte, Allie!” Gloria verlor kostbare Sekunden, bis auch sie auf ihren unbeholfenen Füßen stand. Allie war schon aus dem Raum und den Gang hinuntergelaufen, und Gloria musste von weitem zusehen, wie sie in den Konferenzraum platzte und mit der ganzen Kraft ihrer kleinen Lunge schrie: “Daddy!”

5. KAPITEL
    “H ier ist mein Büro. Lassen Sie uns dort reden.” Sam hielt Gloria die Tür auf. Er schaute über die Schulter zu Allison, die jetzt auf dem Schreibtisch seiner Sekretärin saß und unter Mrs Doerners – und natürlich Hunnys – freundlicher Aufsicht eifrig Briefe schrieb. Er schloss die Tür und lehnte sich von innen dagegen.
    Gloria