Engel küssen besser
ist”, und wenn nötig auch noch Sam zu helfen, diese Brücke zu überqueren. Und so wichtig die Erfahrungen in einem Körper für sie als Engellehrling in ihrer Ausbildung zum Engel erster Klasse auch waren, so unwichtig waren sie andererseits für ihre Rolle als Beschützerin und Lenkerin dieser beiden Menschen. Sie war hier, um dieser Familie zu helfen, und nicht, um ein Mitglied zu werden.
Das Brennen der aufsteigenden Tränen war für Gloria ein völlig neues Gefühl, und sie versuchte, diese Tränen durch Blinzeln loszuwerden. Schließlich war Weinen nun wirklich nicht angebracht, jetzt, wo sich zwischen Sam und Allison endlich Glück und Liebe ausbreitete. In ihrem Spiel war keine Spur von Traurigkeit oder gar Bedauern. Erschreckt stellte sie fest, dass diese Gefühle nur in ihr selbst existierten.
Sie hatte überhaupt keine Gefühle zu entwickeln, sondern sie nur kennenzulernen und deren Kraft zu verstehen. Die Warnungen waren klar und deutlich gewesen. Engeln war es noch nie erlaubt gewesen, sich gefühlsmäßig an die Menschen zu binden, für die sie Verantwortung übernommen hatten. Es gab allerdings Dutzende von Geschichten über Engellehrlinge, die ihre himmlische Bestimmung vergaßen und nie von ihrem Auftrag zurückkehrten. Gloria hatte sich dabei nie vorstellen können, was auf Erden sie dazu verleiten konnte, den Himmel aufzugeben.
Aber das war natürlich noch, bevor sie Sam und Allison kannte.
“Puh …” Mit einem übertriebenem Stöhnen warf Sam eine immer noch kichernde Fünfjährige in Glorias Schoß und ließ sich zurück ins Gras fallen. “Kämpfen Sie mal mit ihr weiter. Ich muss erst wieder zu Atem kommen.”
Allie sprang auf die Füße und stellte sich breitbeinig über ihren Vater, die Hände in die Seiten gestemmt. “Ich komme zurück”, warnte sie. “Und nächstes Mal bringe ich Hunny mit.” Unversehens war sie schon wieder zur Schaukel geflitzt.
Dieses Mal war Sams Stöhnen echt, und mit vor Erschöpfung geschlossenen Augen sagte er “Ich bin zu alt für so etwas.”
Gloria ließ ihren Blick von seinen Schuhspitzen und über seine krausen Hosenbeine wandern, weiter über die frischen Grasflecken auf seinem weißen Hemd, die bis zu den Ellbogen aufgekrempelten Ärmel und dann bis zu den über der Brust geöffneten Knöpfen. Fast hätte sie die Hand nach den Haarbüscheln ausgestreckt, die dort zum Vorschein kamen, aber sie wusste, dass sie es nicht wagen würde. Die Sorgenfalten um seinen Mund und seine Augen hatten sich in den letzten fünf Minuten etwas geglättet, und sie freute sich über diese Veränderung, wenn es auch nur eine kleine war. Wenn Gloria die Augen etwas zusammenkniff, sah sie ihn fast so, wie er in einem Jahr aussehen würde – glücklich, ausgeglichen und verliebt in das Leben und …
Sie schaute schnell weg, denn diese Vision war ihr irgendwie unangenehm.
“Menschen werden nun mal alt, wenn sie aufhören zu leben.”
“Ist das Ihre Art von Sprichwort?”
“Nein, nur das Ergebnis von Beobachtungen.”
Sam sah plötzlich sehr müde aus, und er schloss die Augen. “Urteilen Sie nicht so hart, Gloria. Manchmal kann man es sich nicht aussuchen. Manchmal bleibt einem nichts, außer noch weiterzuatmen.”
Sein Schmerz benebelte sie wie schwerer Rosenduft, und sie begegnete ihm mit einer Welle von Mitgefühl und Verständnis. Gloria schloss die Finger um die seinen und legte ganz viel Trost und Stärke in ihre Worte: “Sie sollten jetzt ganz tief durchatmen”, schlug sie vor und lenkte damit seine Aufmerksamkeit fort von dem, was er verloren hatte, hin zu dem, was geblieben war. “Denn Allie kommt zu uns herüber … und sie kommt nicht allein.”
Sam hob den Kopf und sah die Armee auf sich zukommen: Seine Tochter und ihr bunter Drache. “Noch einen Angriff überlebe ich nicht … es sei denn, Sie geben mir Verstärkung.”
“Ich bin hier nur als Beobachter.”
“Wir kommen!” Allie startete ihren Angriff, indem sie Hunny durch die Luft warf, der mit dem Gewicht eines zwei Pfund schweren Stofftiers auf Glorias Schoß landete.
“Sieht so aus, als ob sie gerade rekrutiert worden sind, Engel”, sagte Sam und hielt schützend die Arme vor sich. “Achtung!”
Allison stürzte sich in die Schlacht und breitete Arme und Beine gleichzeitig aus, umso viel wie möglich zu erbeuten, und in ihrem strategisch gekonnten Angriff riss sie Gloria und Sam gemeinsam zu Boden.
“Weißt du was, Daddy?”
“Was denn, Allie?”
“Das war der beste
Weitere Kostenlose Bücher