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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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auf eine fast obszöne Weise aufgeschlitzt ist, weil Gesicht und Oberkörper übersät sind mit stark blutenden Wunden.
    Die drei jungen, gutaussehenden Männer, die ihre verkohlten Gliedmaßen recken, als wollten sie damit jemanden zu Hilfe rufen, der sie doch noch rechtzeitig aus dem brennenden Wagen retten könnte.
    Und eine Frau mittleren Alters, auch sie gut gekleidet, die sorgend beide Arme ausbreitet, um etwas oder jemanden zu umarmen? Aber was? Oder wen? Fred versucht die Rücktrittbremse des Fahrrades, doch vergeblich, dann greift er nach der Handbremse, die gibt es aber gar nicht, und sein Gefährt rollt weiter die abschüssige Straße hinunter. Die Frau, jetzt längst in seinem Rücken, ruft ihm etwas hinterher, das er nicht mehr verstehen kann, weil er sich so schnell entfernt.
    Doch halt, ihre Stimme wird lauter und gleichzeitig tiefer und irgendwie strenger. Schon erreichen einzelne Worte sein Hirn. »Aufstehen«, versteht er und »wird’s bald«.
    Dann tritt sie nach ihm und trifft genau die noch vom Sturz schmerzende Hüfte. Gleichzeitig wird es hell vor Freds Augen, und als er sie öffnet, blickt er in das grelle Licht einer Taschenlampe, die nur sehr langsam gesenkt wird. Ein Mann steht vor ihm, den Fred schon einmal gesehen zu haben glaubt. Ein Unfallopfer ist es allerdings nicht. Kein Blut, keine zerfetzte Kleidung, keine verkohlten Gliedmaßen.
    »Wer sind Sie? Und was mache ich hier?«
    Fred sieht sich um. Betonboden. Kahle Wände unter einem offenen Himmel. Aber wo sind die Untoten, die seinen Weg gesäumt haben?
    »Winterberg, Polizei. Wir hatten schon mal das Vergnügen, wenn ich mich recht erinnere. Fred Hübner, stimmt doch, oder?«
    Fred nickt. Richtig, der schmächtige Bulle. Diesmal ohne Walross. Ob er wohl ahnt, was sein Kollege gerade treibt?
    »Was hatten Sie hier zu suchen«, will der Bulle jetzt wissen.
    Fred sieht sich um. Nein, eine Straße ist dies nicht, sondern ein Rohbau. Aber was, zum Teufel, macht er hier?
    »Weiß nicht so genau … hab hier mal gewohnt.«
    Jetzt ist die Erinnerung wieder da. Fred rappelt sich auf, bis er schwankend steht. Er bemüht sich um Höflichkeit, um Verbindlichkeit. Vielleicht kann der Bulle ihn ja nach Hause fahren. Doch fürs Erste sieht es so aus, als wolle er sich noch eine Weile mit Fred unterhalten.
    »Ein Auto hatten Sie ja nicht, wenn ich mich richtig erinnere.«
    Fred nickt. Was soll das werden? Eine Vernehmung wegen Alkohols am Fahrradlenker?
    »Dann frage ich mich doch, wie Sie mitten in der Nacht hergekommen sind. Oder halten Sie sich schon länger hier versteckt?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich bin mit dem Fahrrad gekommen.«
    Zweifelnd lässt der Bulle den Strahl seiner Taschenlampe kreisen.
    »Hier ist keins zu sehen. Und vor dem Haus stand auch keins.«
    »Ich hab’s irgendwo verloren. Weiß auch nicht. Bin abgestiegen, und dann war es plötzlich auch schon weg.«
    »Aha.« Der Bulle glaubt ihm kein Wort.
    »Hören Sie mal, Herr Winterthur, ich …«
    »Winterberg.«
    »Bitte?«
    »Winterberg ist mein Name. Aber reden Sie nur weiter, ich höre Ihnen zu.«
    »Ja, also ich …«
    Freds Hirn ist wie ausgedörrt. Was hat er sagen wollen? Wie soll er diesem schmächtigen Kripohengst überhaupt erklären, was er hier in Kampen gesucht hat, wenn er es längst selbst nicht mehr versteht. Und außerdem geht es den nun wirklich nichts an. Er, Fred Hübner, hat schließlich nichts verbrochen. Entschieden steckt er die Hände in die hinteren Taschen der Jeans. Vor dreißig Jahren sah das immer sehr cool aus. Jetzt ist eine der beiden Taschen durch die gefaltete Straßenkarte blockiert.
    »Was haben Sie denn da?«, erkundigt sich die strenge Polizistenstimme.
    »Ein Plan von Sylt. Ist uralt, habe ich zufällig gefunden.«
    »Und wo haben Sie den gefunden, wenn ich fragen darf?«
    »Na, bei mir zu Hause …«
    Noch bevor er den Gesichtsausdruck des Bullen sieht, begreift Fred, dass er einen kapitalen Fehler gemacht hat. Und nachdem Sven Winterberg mit einer schnellen Bewegung den Plan an sich gebracht, ihn aufgeklappt und die Kreise gemustert hat, wird die Atmosphäre plötzlich ausgesprochen eisig.
    »Das ist also Ihr Plan. Dann darf ich wohl davon ausgehen, dass Sie es auch waren, der diese Kreise hier eingezeichnet hat.«
    Fred nickt.
    »Die schwarzen und auch die blauen? Nur damit wir uns richtig verstehen.«
    »Ja, aber die schwarzen sind uralt, die habe ich …«
    »Herr Hübner, ich muss Sie leider unterbrechen. Und zwar aus zwei

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