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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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geländerlose Treppe. Fred weiß plötzlich genau, dass er gut schlafen wird, auch wenn der Beton unter seiner Hüfte und der Schulter den Aufprall nach dem plötzlichen Sturz hart zurückgibt. Noch ein, zwei Kriechbewegungen in eine geschützte Ecke, wo der jetzt aufdringliche Lichtschein aus den Fenstern des benachbarten Hauses ihn nicht erreichen kann, dann ist es geschafft.
    Die Welt beginnt sich zu drehen, ein kreiselnder Tanz nach größter Anstrengung. Freds erste Nacht in Kampens ruhmreicher Luft nach vielen Jahren des Lister Exils. Und vielleicht wird ihm sogar eine geneigte Sanne Boysen im Traum erscheinen …

Sonntag, 26. Juli, 23.22 Uhr,
Braderuper Weg, Kampen
    Mette schreckt aus dem Schlaf.
    Da ist ein Geräusch. Hinter dem Fenster. Oder unter dem Bett.
    Mette blinzelt ins Zimmer. Alles ist dunkel, auch unter der Tür ist kein Lichtstreif zu sehen. Bestimmt schlafen die Eltern schon lange. Mette nimmt ihre Schmuse-Lotte fester in den Arm und flüstert ihr beruhigende Worte ins Ohr. Aber Lotte lässt sich nicht beruhigen und beginnt leise zu weinen.
    »Du musst nicht weinen«, raunt Mette der Puppe zu. »Du hast doch auch gehört, was Papa gesagt hat. Der Entführer holt sich die Mädchen auf den Straßen. Hier zu Hause sind wir sicher. Außerdem ist unser Zimmer im ersten Stock, da kommt er gar nicht ans Fenster ran.«
    Wieder das Geräusch. Ein Schaben oder Kratzen. Eindeutig hinter dem Fenster.
    Dann bewegt sich auch die Gardine. Sie ist aus gelbem Stoff, auf dem Zirkusartistinnen ihre Kapriolen vorführen. Jetzt tanzen sie im Wind, der doch gar nicht durch das geschlossene Fenster fahren und den Vorhang blähen kann. Aber es kann nur der Wind sein, der den Vorhang bauscht. Oder ist da nicht auch eine Hand? Eine grüne Hand? Auf dem Vorhang sind keine grünen Hände. Und auch dieses Maul, das sich gerade ganz langsam zwischen den Stoffbahnen hindurchschiebt, ein grünes Maul mit leise schmatzenden Lippen, gehört ganz bestimmt nicht zu einer der Zirkusnummern. Ängstlich weichen die Artistinnen zur Seite, sie sammeln ihre Bälle und Reifen ein und stoßen kleine erschrockene Rufe aus, während sie auf die Wände flüchten, direkt in die Arme der Clowns und Löwenbändiger, die auf der zum Vorhang passenden Tapete wohnen und gern ein bisschen zusammenrücken, um den verschreckten Mädchen Platz zu machen.
    Mitten unter ihnen kauert Mette in der äußersten Ecke ihres Bettes. Sie hält die immer noch weinende Lotte fest an sich gedrückt und den Blick schaudernd auf das Fenster gerichtet, dessen beide Flügel jetzt weit offen stehen. Ächzend klettert das Monster ins Zimmer. Ein fetter grüner Körper, von Narben und Warzen übersäht und von einem gefährlich schmalen Fuchskopf gekrönt, an dessen Spitze das Maul immer noch hungrig schmatzt.
    Als der Monsterkörper von der Fensterbank ins Zimmer springt, gibt es ein dumpfes Geräusch. Das müssen die Eltern doch hören! Gleich werden sie ins Zimmer stürzen und das Monster vertreiben, das mit wiegenden Schritten näher kommt. Über der Schnauze sitzt eine winzige Nase, aus deren Nüstern Dampf tritt, silbrig schimmernder Dampf, der entsetzlich stinkt. Was kann nur so riechen? Es muss etwas Furchtbares sein, ein Geruch nach Feuer und Fleisch, als habe man lebende Kinder verbrannt.
    Das müssen die Eltern doch auch riechen, sie schlafen nur ein Zimmer weiter. »Papa«, will Mette rufen, ihr Mund ist weit geöffnet, aber es kommen nur gurgelnde Laute heraus. Laute, die sofort im kichernden Lachen des Monsters ertrinken. Laute, die im rot leuchtenden Schein der ballgroßen Augen verglühen.
    Jetzt streckt das Monster seine Flossen nach Mette aus. Finger, die durch Schwimmhäute verbunden sind, rudern ihr entgegen. Und als eine der Hände Mettes nackten Oberarm in einer schleimigen Berührung streift, löst sich endlich der Schrei – gellend und schrill hallt er durchs Zimmer.
    Das Monster zittert kurz. Ein Wackelpudding, der noch nicht ganz fest geworden ist und zu früh aus der Schale gestürzt werden soll. Doch dann tritt noch mehr Dampf aus der Nase, die Augen beginnen Feuer zu speien, und die schwabbeligen Flossen schwimmen direkt auf Mettes Gesicht zu. Gestern ist das dritte Mädchen verschwunden, schießt es Mette durch den Kopf, und jetzt will das Monster eben wieder gefüttert werden.
    »Richtig gedacht«, röchelt das Monster und umfasst mit seinen Flossen Mettes Kopf. Schleimige Finger dringen in ihre Ohren und die Nasenlöcher, zwei

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