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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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unförmig dicke Daumen öffnen mit brutalem Druck Mettes Mund und ersticken ihren Schrei.

Sonntag, 26. Juli, 23.22 Uhr,
Wattvilla, Kampen
    Da ist ein Geräusch. Panisch schreckt Mona aus dem Schlaf. Krachend fällt die Stahltür ins Schloss. Mona springt von der Pritsche auf und stolpert im Dunklen zur Tür. Von draußen wird abgeriegelt, dann entfernen sich Schritte. Mona stöhnt und wirft sich mit dem ganzen Körper gegen die Tür.
    »Hierbleiben, aufmachen«, schreit sie immer wieder.
    Doch jenseits ihres Verlieses ist längst niemand mehr.
    Erst jetzt schaltet Mona das Licht an. Etliche Sekunden blinzelt sie in die plötzliche Helligkeit. Dann entdeckt sie die Plastiktüte zu ihren Füßen. Der rote
Rewe
-Aufdruck glänzt obszön im Schein der Leuchtstoffröhren. Verwirrt starrt Mona auf die Tüte, die der nächtliche Besucher hier abgestellt haben muss. Langsam, wie in Trance, beginnt sie, deren Inhalt auszupacken.
    Zwei Flaschen Mineralwasser. Eine Packung Wiener Würstchen. Drei Äpfel und zwei Bananen. Eine Tüte mit Brötchen und ein Paket Kekse. Ungläubig mustert Mona die Lebensmittel.
    Wer immer sie hier gefangen hält, will sie nicht umbringen. Jedenfalls nicht gleich. Vielleicht braucht er sie noch. Aber wofür? Was hat er vor? Und wann wird sie es erfahren?

Sonntag, 26. Juli, 23.23 Uhr,
Braderuper Weg, Kampen
    Für die Dauer einer unendlich langen, schrecklichen Sekunde glauben Sven und Anja, ihre Tochter sei tot. Starr und mit weit aufgerissenen Augen liegt Mette auf dem Bett, bestrahlt von der plötzlich aufflammenden Deckenlampe. Erst als Anja am Bett der Tochter angekommen ist, lösen sich Mettes Züge, doch nur, um sich zu einer entsetzlichen Grimasse zu verziehen. Tränen schießen in die Kinderaugen, und ein heftiges Schluchzen erschüttert den kleinen Körper.
    »Mette, Liebling, was ist passiert?«
    »Das Monster, Mami, das Monster war da.«
    »Du hast geträumt, mein Schatz.«
    »Nein, bestimmt nicht. Ich habe es doch genau gesehen. Es ist durchs Fenster gekommen.«
    Die Eltern wechseln besorgte Blicke. Das Fenster wird jeden Abend sorgfältig verschlossen. Die stickige Hitze im Kinderzimmer nehmen sie in Kauf, um ihre Tochter zu schützen. Mit wenigen Schritten ist Sven jetzt an den Gardinen und reißt sie zur Seite. Die Fensterflügel sind fest verriegelt.
    »Und du bist sicher, dass da jemand war?«, fragt Sven die Tochter. Seine Stimme klingt strenger, als er beabsichtigt hat.
    Mette nickt ernsthaft.
    »Es war der böse Mann. Er wollte mich holen.«
    »Wie sah er aus?« Sven dreht dem Fenster den Rücken zu und setzt sich auf Mettes Bettkante neben seine Frau.
    »Ich weiß nicht. Grün. Und da war Feuer.«
    »Es gibt keine grünen Menschen, mein Engel, du musst geträumt haben.«
    »Aber er hat mich angefasst. Er hat mir die Nase zugehalten und den Mund, und er hat …«
    Wieder wird der kleine Körper von starkem Schluchzen geschüttelt, dann bäumt er sich auf wie in einem aussichtslosen Kampf. Anja will die Tochter in den Arm nehmen, aber Mette schreit auf.
    »Nicht anfassen! Aua! Nicht anfassen!!«
    Sven springt auf und schlägt mit der flachen Hand auf Mettes Matratze.
    »So geht das nicht. Da wird man ja wahnsinnig. Ich gehe raus, nachsehen, was da los ist.«
    »Jetzt?«
    Anjas Stimme klingt zweifelnd. Noch einmal versucht sie, die Tochter in den Arm zu nehmen. Diesmal wehrt sich das Mädchen nicht.
    »Ja, natürlich jetzt. Wenn überhaupt, dann kann ich jetzt noch etwas entdecken. Morgen früh ist der Spuk doch längst vorbei.«
    »Es war kein Spuk, Papi«, widerspricht Mette mit erstaunlich fester Stimme.
    »So habe ich das auch nicht gemeint. Sonst würde ich ja nicht nachschauen gehen, ob draußen alles in Ordnung ist.«
    »Aber dir tut er bestimmt nichts?«
    »Nein, natürlich nicht, Engelchen. Vor mir hat er Angst, darauf kannst du dich verlassen.«
    »Ist gut«, antwortet Mette leise, aber ihre besorgten Blicke sprechen eine andere Sprache.

Sonntag, 26. Juli, 23.31 Uhr,
Braderuper Weg, Kampen
    Fred fährt mit dem alten Fahrrad durch einen engen Schacht, dessen Boden sich immer stärker neigt. Längst muss er nicht mehr treten, und bald schon wird er damit beginnen, die schnelle Fahrt abzubremsen. Doch im Moment ist das Tempo angenehm, die Strecke kurvenlos und der Untergrund glatt. Es bleibt Fred genügend Zeit, um die Figuren zu betrachten, die sich zu beiden Seiten seines Weges aufgereiht haben.
    Der ehemals lässig gekleidete Porschefahrer, dessen Garderobe jetzt

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