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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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doch niemand ernst nehmen, oder? Bergmann stellte sich ans Fenster, eine Tasse Earl Grey mit Milch in der Hand und schaute in den Regen. Eindeutig kein Gewitterschauer – der für diese Tageszeit ohnehin ungewöhnlich gewesen wäre. Vielmehr ein vollgesoffener Himmel, der sich wuchtig und anhaltend über die Stadt ergoss. Im ersten Tageslicht sah er den Hausmeister und zwei ihm unbekannte Männer Sandsäcke über den Hof schleppen; vermutlich um die Kellerräume vor dem Wasser zu retten, das mittlerweile in braunen Bächen über die Gehsteige und in die Einfahrt strömte. In zwei Stunden würde in Melk eine Frau in ihrem Auto ertrinken, weil sie trotz Absperrung in eine überflutete Straße eingefahren war. In Südtirol würde ein Reisebus, der eine Schulgruppe zum Sommerlager nach Sankt Martin bringen sollte, von einem Erdrutsch von der Straße gestoßen werden; wie durch ein Wunder würden alle siebenundzwanzig Schüler sowie der Fahrer und die beiden Begleitpersonen den Unfall überleben. Weniger Glück würde in den frühen Nachmittagsstunden ein Kneipenwirt aus Wöllersdorf haben, der beim Versuch, seinen in die Hochwasser führende Piesting gefallenen Hund zu retten, ertrinken würde. Was für ein Sauwetter, murmelte Bergmann und schaltete den Fernseher ein, um die Frühnachrichten zu sehen. Gleich die erste Kameraeinstellung zeigte eine Altpapiertonne, die wie auf der Flucht vor Massen an Werbeprospekten die Lerchenfelder Straße hinabrauschte; dahinter hektisches Stimmengewirr und Sirenen. Bergmann ging in die Küche und schnitt zwei Scheiben Roggenbrot ab. Im Hintergrund hörte er die aufgeregte Stimme des Reporters: Nach einem Wassereinbruch und einem Kurzschluss auf der U3 haben die Wiener Linien mit Ausnahme einiger Buslinien den gesamten Betrieb eingestellt. Im ganzen Land ist bereits das Bundesheer im Einsatz, um der über die Ufer tretenden Wassermassen Herr zu werden. Auch in den Nachbarländern …
    Jetzt könnt ihr mich auslachen, sagte sich Bergmann selbstherrlich, als er mit seinen kaum benützten Gummistiefeln der Marke Aigle und einem britischen Allwetter-Jagdmantel von Barbour die Sicherheitsdirektion betrat, jetzt will ich noch wen sehen, der blöd grinst. Tat auch niemand. Weil kaum wer da war. Wer nicht zu Fuß zur Arbeit gelangen konnte (und sich rechtzeitig um ein Paar Vollkautschuk-Profilsohlen-Stiefel gekümmert hatte!), hatte bis auf Weiteres schulfrei, zumal das Innenministerium nicht über das Budget verfügte, einen Black Hawk zur Personalbeförderung anzukaufen. Welch gespenstische Ruhe im gesamten Gebäude; von seiner Gruppe war niemand anwesend, bis Mittag würde es nur Kovacs schaffen, zum Dienst zu erscheinen. Bergmann hängte den Mantel über einen Kleiderbügel, schlüpfte aus den Regenstiefeln und stellte sie auf eine Zeitung, füllte den Wassertank der Espressomaschine und machte sich einen Kaffee. Als er sich an den Schreibtisch setzte, kam er sich vor wie an einem dieser magischen Sonntage, wenn er ohne Dienstpflicht hier war, um ein paar Akten aufzuarbeiten oder schlichtweg das Büro aufzuräumen; mit der zwingenden Konsequenz, dass Schäfer in der folgenden Woche mindestens fünfmal täglich in den Raum fauchte: Wo zum Geier ist denn dieses … Und Bergmann gelassen antwortete: Dort, wo es hingehört. Ein seltsames Paar waren sie schon, der Major und sein Chefinspektor.
    Kurz vor zehn rief Leitner an. Keine Chance, dass er es zur Arbeit schaffte. Der Keller in ihrem Haus stünde unter Wasser; die Feuerwehr völlig überlastet, käme frühestens am Abend; jetzt könne er nur noch hoffen, dass er im Baumarkt eine Pumpe bekäme; aber zu Fuß dorthin, er hätte schon überlegt, ob er das Schlauchboot aufblasen soll, verfluchte Scheiße, das ist der Klimawandel … Kümmere dich um euer Haus, unterbrach Bergmann Leitners hysterische Tirade, ich komme hier schon zurecht. Ja, sicher, rief Leitner ins Telefon, aber Bergmann solle sich auf seinem Computer den Ordner Webviolence anschauen, das Video mit dem Titel killertramps, oh oh, meine Frau schmeißt die Nerven weg, Servus.
    Arme Sau, murmelte Bergmann auf dem Weg in Leitners Büro, verschuldet sich für ein Reihenhaus irgendwo draußen in Langenzersdorf und dann kommt die Donau daher. Er setzte sich auf Leitners Platz, fuhr den Computer hoch und sah besagten Ordner durch. 237 Videos, viele mit martialischen Titeln wie deathpunch , killerfist , hellbound et cetera. Wahllos klickte Bergmann sich durch die Dateien.

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