Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
kindische Gelächter zweier Männer zu den Baumwipfeln schallt.
„Pürstl hat mir vorige Woche ein Mail geschickt …“, sagt Bergmann, nachdem sie auf der Plattform der Jubiläumswarte ein paar Minuten so schweigsam wie erfolglos den Kopf nach oben gerichtet haben, um eine Sternschnuppe zu entdecken.
„Und?“
„Ab nächstem Jahr suchen sie irgendwo im Waldviertel einen Postenkommandanten … der alte geht in Pension und wenn ich jemanden weiß …“
„Ich habe Hunger …“
„Ja … sehr interessant …“
„Das sage ich nur, weil … also wenn ich jetzt was zu essen hätte … und eine Zigarette vielleicht … dann könnte ich hier die ganze Nacht mit Ihnen verbringen …“
„Schön für Sie … was halten Sie davon? … von dem Angebot?“
„Ich im Waldviertel? Als Postenkommandant bei den Provinzschädeln … keine Ahnung … interessiert mich jetzt nicht … aber: Das heißt, dass Sie wirklich daran denken, mich davonkommen zu lassen?“
„Wem tue ich einen Gefallen, wenn ich … eigentlich will ich das gar nicht länger diskutieren … soll Gott oder sonst wer sich um Ihre Bestrafung kümmern … Scheiß drauf …“
„Ja … schauen Sie sich diesen Himmel an, Bergmann …“
„Als ich in Kitzbühel war“, sagt Bergmann gut eine Viertelstunde später, „da wollte ich mir einen Kellner aufreißen … nachdem ich bei Ihrem Pfarrer war und mitbekommen habe, dass Sie irgendwo im Haus sind … da war ich so …“
„Geil! … Sie Stelzbock!“
„Ja … aber der ist ins Hotelzimmer gekommen und da sind die Handschellen auf dem Tisch gelegen und der ist aus dem Zimmer wie …“, Bergmann bricht in ein Lachen aus, das Schäfer übergangslos ansteckt.
„Inzwischen sind Sie bestimmt zur Fahndung ausgeschrieben … im Kitzbüheler Anzeiger … das dürfen Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen … da war ich vor dreißig Jahren auch schon drinnen … weil wir ins Speicherwasser für die erste Schneekanone Lebensmittelfarbe gemischt haben … die Piste war blutrot … Skandal!“
„Da war sicher Ihr Bruder mit dabei …“, mutmaßt Bergmann und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Natürlich! … Was glauben Sie denn, von wem die Idee und die Farbe gekommen ist … Hinweise bitte an die Gendarmerie … diese Säcke haben ja zuerst geglaubt, dass da ein paar Gämsen auf dem harten Schnee zu Tode gestürzt sind, und haben den Jagdverband … ah, ich glaube, ich habe mich angepisst …“
„Hierbei nehme ich Sie sicher nicht in Schutz“, ruft Bergmann, als Schäfer zum Geländer geht und in die Tiefe uriniert.
„Trifft höchstens ein Wildschwein … und ich bin zurzeit sowieso unmündig und in Ihrer Verantwortung … einen Patienten hier heraufschleppen! … Chefinspektor Bergmann, was haben Sie sich dabei nur gedacht, also von Ihnen hätte ich so etwas nicht erwartet!“
„Kommt schon hin … ein paar Jahre noch und Sie sind Papa Kamp in Person … der hat mir heute übrigens seinen Franzosenschnaps aufgedrängt …“
„Nein!“, erwidert Schäfer ehrlich verblüfft, „den von dem Kommissar … von der Sûreté … Quais des Orfèvres, 1952 … l’ésprit des pommes? … ich scheiß mich an … da werde ich jetzt richtig neidisch … wie war er?“
„Scheußlich … Zigarre in Diesel … wie man so was nur saufen kann …“
„Placebo … dreißig Jahre Erwartung … der darf nicht schlecht sein …“
„Vor allem, wenn der verlorene Sohn heimkehrt … statt dem besten Ochsen gibt’s Apfelschnaps …“
„Bergmann, ich fühle mich betrunken … ohne einen Tropfen … herrlich … das ist dieses Wiedersehen, das …“
„Jetzt werden Sie bloß nicht sentimental“, sagt Bergmann, der ohnehin sehr nahe am Tränenwasser steht.
„Und wenn? … Es wird nie wieder so sein wie vorher, das wissen wir beide … hier oben beenden wir eine Ära … hier können wir dieser verfluchten Stadt alles zuschreien, was wir für sie getan haben!“, Schäfer stellt sich ans Geländer und brüllt: „Dreckschweine, Arschtittenfutmörder, Zipflklatscherbeidlsauen! Ihr habt uns gar nicht verdient, ihr … ihr …“
„Es reicht …“, sagt Bergmann, steht auf und nimmt Schäfer in den Arm. „Möchten Sie zurück?“
„Nein …“
„Dann warten wir eben noch so lange, bis wir eine Sternschnuppe sehen …“
„Sie verklemmter Romantiker …“, Schäfer löst sich aus Bergmanns Armen und wischt sich mit dem Ärmel seines Bademantels über die Augen. „Sollen wir
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