Engelherz - Band 1-3
nach ihm zu rufen und zuzugeben, wie sehr ich litt und ihn vermisste.
Ich wusste, die Engel machten sich Sorgen, aber ich tat nichts, um sie zu beruhigen. Immer häufiger besuchten sie mich.
Nur einer kam nicht. – Der, auf den ich am meisten hoffte.
Immer wenn ich hinter mir eine melodische Stimme hörte, hüpfte mein Herz, obwohl ich schon an der Tonlage erkannte, dass es nicht MEIN Engel war.
Eines Tages kam sogar Michael, der in Eden geschworen hatte, niemals auf die Erde zu kommen. Für ihn war es eine große Überwindung, der materiellen Schöpfung nahe zu sein oder sein Wort zu brechen.
Ich wusste, er tat es nur mir zu liebe. Er ahnte, dass ich sein Opfer zu schätzen wusste und hoffte, dass es vielleicht genau dass war, was ich brauchte: Jemanden, der mir seine Liebe und Zuneigung zeigte, indem er etwas für mich aufgab. – Einen kleinen Gunstbeweis.
Auch er konnte oder wollte mir nicht sagen, wo Samiel war und was er tat. „Ein Engel, der nicht gefunden werden will, den findet auch niemand. Nur Jahve!“, erklärte er mit trauriger Stimme und zog mich in seine Arme.
Ich überraschte mich selber, indem ich hemmungslos zu weinen begann und in seiner Umarmung zusammenbrach. Gedankenfragmente versuchten aus meinem Mund zu gelangen, wurden jedoch durch mein Schluchzen unterbrochen und ein wirres Gestammel war zu hören.
Wie von Außen nahm ich wahr, dass auch Gabriel da war und ich in den Armen der beiden Erzengel über die Ungerechtigkeit der Welt fluchte, darüber, wie selbstgefällig Samiel war, wie verstockt und wie hilflos und ausgeliefert ich mich fühlte.
Ich kann nicht mehr genau sagen, ob in diesem Augenblick mein Verstand wieder einsetze, oder ob es genau umgekehrt war und er mich verließ, aber ich begriff, dass ich mein Leben ändern musste.
Sofort.
„ Entweder ein neues Leben unter Menschen oder weit weg von ihnen.“
Schlagartig verflogen mein Selbstmitleid, meine Wut und meine Tränen. Ich klammerte mich an Gabriel als wäre er meine letzte Rettung.
Michael erkannte, dass es zwischen Gabriel und mir eine Verbindung gab, die er nicht verstand und zog es vor, sich rasch zu verabschieden. – Nicht für eine Sekunde ließ Gabriel mich los.
Erst als Michael weg war, strich Gabriel mir die tränennassen Haare aus dem Gesicht und murmelte an meine Wange: „Du bist tatsächlich der einzige unschuldige Mensch auf dieser Erde!“
Er klemmte eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Ich verstehe nicht, wie er dich allein lassen kann!“ Vorwurf und Sehnsucht schwangen zu gleichen Maßen in seiner Stimme mit, als er seine Umarmung löste.
Überrascht sah ich ihn an. Ich hatte immer schon den Verdacht gehabt, dass ich ihm mehr bedeutete, als den anderen Engel – auf einer anderen Ebene – aber bisher hatte er nie etwas gesagt oder angedeutet.
Gabriel seufzte: „Ich wünschte, alle Menschen wäre wie du, mein Liebstes!“
Er lachte leise vor sich hin, als er meinen überraschten Blick bemerkte. „Ja Lilith! Ich liebe dich!“, lachte er. „Ich liebe dich mehr, als ich je einen anderen Menschen lieben werde!“, fügte er hinzu.
„ Das kann nicht sein!“ flüsterte meine innere Stimme entsetzt.
„ Ich liebe dich, weil Jahve dich als erste geschaffen hat und weil du perfekt bist“, erzählte er weiter.
Ich öffnete den Mund um zu widersprechen, doch er legte mir sanft seinen Zeigefinger auf die Lippen.
„ Und du bist perfekt in jeder Hinsicht. – Und du bist unschuldig und wirst es ewig bleiben!“ Sachte zog er mit seinem Finger die Konturen meines Mundes nach.
Zu erstaunt und entsetzt um meinen Kopf abzuwenden, starrte ich ihn an. Gabriel bemerkte mein Entsetzen und grinste. „Versteh mich nicht falsch! Ich begehre dich nicht. Ich empfinde keine körperliche Leidenschaft für dich, so wie Samiel es tut – so etwas hätte nie geschehen dürfen. Ich liebe dich! Nicht mehr und nicht weniger!
Ich liebe dich, so wie ich Samiel liebe, wie ich Jahve liebe. Ich liebe es, bei dir zu sein. Ich liebe es, dich zu sehen. Ich liebe es, dich zu berühren. Und ich liebe es, zu wissen, dass du für ewig unschuldig bleiben wirst – in jeder Hinsicht!“
Gabriel zog mich zu sich und gab mir einen unglaublich sanften, vorsichtigen Kuss auf den Mund. Einen Kuss, der so unschuldig war, wie er.
Unwillkürlich musste ich grinsen, weil mein Herz überquoll vor Liebe und ich empfand ein Hochgefühl, wie schon lange nicht mehr. Ich wusste, alles würde gut werden.
„ Ich werde nach Babylon
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