Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
junge Frau dort draußen neben ihrem Wagen, mit einem siegessicheren Lächeln im Gesicht und dennoch wirkte sie auf mich traurig. Nach der Nachricht über den Tod ihrer Eltern wollte ich ihr beistehen, aber sie lehnte es ab. So wie sie immer meine Hilfe abgelehnt hatte, wenn ich ihr zum Beispiel für die Schule helfen wollte, weil ihre Noten, im Gegensatz zu meinen, immer schlechter wurden. Dennoch war ich mir sicher, dass meine Anwesenheit in den letzten zwei Wochen für sie Trost genug war. Ich nickte ihr noch kurz zu, welches sie leicht erwiderte, ehe ich ins Taxi stieg und meinem alten Leben endlich den Rücken zukehren konnte. Tessa Jonsens schaute mir noch kurz nach, ehe sie ins Haus ging.
Mein neues Leben hatte genau jetzt begonnen und ich konnte es nicht erwarten. Ich war mir sicher, dass es nur besser werden konnte und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit konnte ich wieder lächeln!
2
Neuanfang
Im Flugzeug genoss ich die Aussicht, auch wenn man natürlich die meiste Zeit nur den endlosen weiten Himmel sah. Ich liebte das Fliegen, nur leider war ich bisher kaum dazu gekommen. Die wenigen Male, wo ich fliegen durfte, waren ebenfalls die zu Stewart gewesen und das letzte Mal lag schon Jahre zurück. Umso mehr genoss ich nun jede Minute dieses langen Fluges. Ein letzter Blick noch auf Amerika, dann kam bereits das tiefe Blau des Atlantiks und kurz darauf hüllten uns die Wolken sanft ein. Der Flug war sehr lange und ich musste insgesamt zweimal umsteigen, was mich etwas störte, da alle Passagiere jedes Mal erneut überprüft wurden und es somit grundsätzlich zu Verzögerungen kam. Aber als ich endlich im letzten Flieger nach England saß und es bereits erneut dunkel draußen wurde, machte ein wunderschöner Sonnenuntergang hoch oben über den Wolken alles wieder gut. Das sanfte Goldgelb, das langsam in ein zartes Rotorange überging, sah einfach wunderschön aus und mit diesem Bild in meinem Kopf konnte ich schließlich auch noch etwas schlafen.
Am frühen Mittag landete die Maschine dann endlich in England auf dem Flughafen von Birmingham. Ich genoss es, ebenso wie all die anderen Passagiere, meine Glieder zu strecken und ging, während ich auf mein Gepäck wartete, immer auf und ab. Das lange Sitzen hatte sich auch bei mir bemerkbar gemacht, aber all die Strapazen waren mir egal, denn mein neues, hoffentlich besseres Leben hatte jetzt angefangen.
Ein Taxi sammelte mich, nachdem ich mit meinen zwei Koffern nach draußen ins Kühle ging, dann auch schon ein, um mich in einer fast dreistündigen Fahrt weiter nach Vanicy zu bringen. Onkel Stewart hatte sich um das Taxi gekümmert, da er es nicht rechtzeitig geschafft hätte, mich abzuholen. Nach dem langen Flug mochte ich zwar nicht mehr sitzen und die Taxifahrt forderte meine ganze Willensstärke, nicht einfach aus dem Auto zu springen und den ganzen Weg zu Fuß zurückzulegen, dennoch überwiegte die Freude, endlich das Gefühl zu bekommen, zu Hause zu sein.
Das letzte Mal war ich vor fast zehn Jahren, ungefähr zwölfjährig, hier gewesen, aber ich konnte mich noch an alles von damals erinnern. Ich war gespannt, ob Vanicy, ein kleines Städtchen westlich in England gelegen, noch immer so aussehen würde wie damals. Diese kleine Stadt hatte knapp zweitausend Einwohner und wurde von einem großen tiefen Wald umhüllt, der kleinen Kindern oft und gerne Angst einjagen konnte, während die Jugendlichen sich dort gerne versteckten, um heimlich die erste Zigarette zu probieren oder um ein bisschen rumzuknutschen. Auf der anderen Seite grenzte der Wald am sogenannten Klippenmeer.
Das Beste aber war die Universität, bei der ich mein Studium, das ich in Arizona vor einem Jahr begonnen hatte, tatsächlich weiterführen konnte. Nicht viele Unis bieten mein Hauptfach, nämlich Philologie, an, und ich hätte dies nur ungern getauscht, da es mir nach anfänglichen Schwierigkeiten mittlerweile sehr viel Spaß bereitete. Ich hatte wirklich Glück, dass es eine derartige Universität in Vanicy gab. Als ich Onkel Stewart vor über einem Jahr von meinem Studium erzählte, hatte er absolut keine Ahnung, was genau Mediävistik oder eben auch Philologie zu bedeuten hatte.
Also versuchte ich ihm zu erklären, dass es in meinem Studium der Philologie um die englische Sprache in all ihren historisch belegten Epochen, sowie der englischen Literatur ginge.
Seine Reaktion war ziemlich belustigend, denn er konnte weder einem langen Studium, geschweige denn einem so
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