Engelsberg
genügte Don Cándido, ihm rasend vor Wut die Bürste zu entreißen und sie mit solcher Gewalt in die Vorhalle zu schleudern, dass diese einstürzte und die liebevoll Karmen Balzells geheißene spanische Stute unter sich begrub, die dort mit dem Tilbury wartete, um die Señoritas zur nachmittäglichen Spazierfahrt auszufahren.
Das waidwunde Tier stieß ein dunkel grollendes Wiehern aus und verschied, woraufhin die drei Señoritas in untröstliches Klagen verfielen, vor allem Carmen, Don Cándidos Schoßkind, die (vielleicht wegen des gleichen Namens) eine besonders tiefe Zuneigung zu dem Tier hegte.
Der Vater, tief bewegt von der Trauer seiner Töchter, die das tote Pferd immer wieder umarmten, zwang sich zur Ruhe und wurde still; dann bat er seine am innigsten geliebte Tochter um Verzeihung, stieg die Treppe ins Obergeschoss hinauf und legte sich hin zum Mittagsschlaf.
Zweiter Teil Die Schwarzen und die Weißen
Kapitel 8 Der Ball
Cecilias Leidenschaft ist es nun nicht mehr, in Pantöffelchen durch die Straßen zu laufen, sondern zu tanzen. Achtzehn Jahre, Bronzehaut, schlanke Figur und schwarzes Haar. Bei allen Bällen ist sie die Attraktion. Die Schwarzen scharwenzeln ehrerbietig um sie herum wie um etwas Unerreichbares; die Mulatten, die sich ihr gleich wissen, behandeln sie mit einer gewissen Komplizenschaft oder Vertraulichkeit, die Cecilia empört. Und die Weißen meinen voller Hochmut, es wäre für die Mulattin eine Ehre, dass sie sich dazu herablassen, an den Negerbällen teilzunehmen, nur um mit ihr zu tanzen.
Das Fest an diesem Abend findet im Haus Mercedes Ayalas statt, einer Flittermulattin, wie ihr Busenfreund Cantalapiedra, Hauptkommissar des Engelsviertels, sie nennt. Seit dem Nachmittag schon treffen die Gäste ein. Mulattinnen, eingehüllt in große farbige Tücher, die kokett um- oder abgelegt werden und die ihre nackten Schultern sehen lassen, während sie herrliche Fächer schwenken, Mulatten mit hohen, glänzenden Schnürstiefeln, Zylinderhüten und hautengen Jacketts, die ihre athletischen Körper zur Geltung bringen, und skrupulös in Weiß gekleidete Schwarze füllen die von großen, talglichterbeladenen Kristalllüstern erleuchteten Zimmer.
Auch wenn es selten oder fast unmöglich ist, auf diesen »Bällen für Farbige« eine weiße Frau anzutreffen, so sind doch zahlreiche weiße junge Männer zu sehen, darunter viele aus den besten Familien von Havanna, die, meist mit Erfolg, einer oder mehreren der bildschönen Mulattinnen nachsteigen.
Einer dieser jungen Männer ist der schmucke, tadellos pariserisch gekleidete Leonardo Gamboa, mit Glacéhandschuhen sowie einem goldbeschlagenen, perlmutternen Spazierstock, den ein Gefolge so eleganter und übermütiger Freunde wie er selbst begleitet. Die Kleidung fast aller dieser jungen Männer hat, unterstützt von José Dolores Pimienta, Uribe geschneidert, ein freigelassener Schwarzer, der jetzt mit großem Erfolg seine eigene Schneiderei betreibt und ebenfalls auf dem Fest ist.
Gegen zehn Uhr abends entsteigt Cecilia Valdés einem offenen Tilbury, in ihrer Begleitung ihre Freundin Nemesia Pimienta.
Das Erscheinen Cecilias, einer anscheinend völlig weißen Señorita, auf einem Ball, wo ansonsten nur Schwarze und Mulattinnen sind, sorgt für großes Aufsehen. Sie trägt eine bunt bestickte Bluse mit kurzen, wie zwei kleine Bälle geplusterten Ärmeln, einen langen weißen Rock, einen Hut aus schwarzem Samt mit Federn und echten Blumen, Filzschuhe, bis an den Ellbogen reichende weiße Handschuhe und einen breiten roten Gürtel, der die Taille umschließt.
Selbst Mercedes Ayala unterbricht ihr angeregtes Geplauder mit Cantalapiedra und geht in die Mitte des Saals, um Cecilia zu umarmen.
Nun lassen die Musiker unter der Leitung José Dolores Pimientas ein ohrenbetäubendes Getöse von Geigen, Kesselpauken, Spinetten, Klarinetten und Kontrabässen ertönen. Zwar musizieren sie seit Stunden schon, aber mit der Ankunft Cecilia Valdés’ durchströmt die Musik (und die Musiker) eine solche Feurigkeit, dass es den Anschein hat, das Orchester spiele erst jetzt mit wahrer Meisterschaft.
Zahllos sind die Mulatten und Schwarzen, die, alle in untadeliger Höflichkeit, an Cecilia herantreten, um sie zu begrüßen. Unter ihnen der elegante Brindis de Sala, ein exzellenter Musiker, und der schlanke Hauptmann Tondá, ein Protegé des Generalkapitäns persönlich, der danach seine Streife durch die ganze Stadt fortsetzt. Auch die schwarzen Dichter
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