Engelsberg
Beständigkeit und Hingabe sein, gemeinsame Befriedigung, Ruhe, Hoffnung und Aufopferung.
Vor dem weiten Panorama der Einsamkeit und der Verzweiflung, des Ehrgeizes und des Verbrechens würden sie mit ihrer Leidenschaft eine Mauer errichten, in deren kühlem Schatten sie gemeinsam leben und sterben würden.
So dachte José Dolores Pimienta, und sein Blick suchte seine geliebte Cecilia, doch die war, an Leonardos Arm, in einen weniger hell erleuchteten Teil des Salons entschwunden.
Dritter Teil Die Weißen und die Schwarzen
Kapitel 14 Isabel Ilincheta
Das donnernde Schnarchen der Familie Gamboa schlug manchmal sämtliche Stalltiere und sogar Hunderte von Sklaven in die Flucht, die Tondá gewöhnlich sofort wieder einfing oder niedermetzelte. Jetzt wurde es unterbrochen von der Ankunft eines großen, altmodischen Tilbury, der mit seinen schlammbedeckten Rädern die Fassade des Stadthauses bespritzte.
Der bejahrte schwarze Kutscher öffnete die Tür des Gefährts, und sofort entstieg ihm Isabel Ilincheta, gefolgt von ihrem Vater, Señor Don Pedro.
Sie kamen von ihrer Finca in Pinar del Río, der Kaffeepflanzung El Lucero, und würden nur einen Tag in der Hauptstadt bleiben, bis Isabel alles Nötige zum Weihnachtsfest eingekauft hatte. Wie stets bei ihren Besuchen in der Hauptstadt, würden sie im Haus der Gamboas wohnen, mit denen sie freundschaftliche Beziehungen sowie gemeinsame Interessen verbanden, grenzte doch die Kaffeepflanzung der Ilinchetas an die Zuckerrohrplantage La Tinaja, die Don Cándido gehörte.
Zum anderen war zwischen den Familien Ilincheta und Gamboa schon seit mehreren Jahren die künftige Heirat zwischen Leonardo und Isabel vereinbart, und auch wenn, um die Wahrheit zu sagen, diese Verlobung noch nicht offiziell war, schienen sowohl Don Cándido als auch Don Pedro davon überzeugt, dass die Heirat eine sichere Sache sei. Irgendwie, dachte Don Cándido, würden sie beide schon dafür sorgen, dass sie sicher wäre.
Isabel Ilincheta war ein hochbeiniges, eher kräftiges Fräulein, dem es allerdings an jeglicher Anmut fehlte. Haut und Haare waren gelblich, die Arme lang und die Finger, die sie in alle Richtungen ausstreckte, um jeden Gegenstand, der ihr unter die Augen kam, zu inventarisieren, überlang. Diese von ihrem Vater und ihrem künftigen Schwiegervater in den höchsten Tönen gepriesene Angewohnheit hatte sie noch perfektioniert, seit sie, einziger Spross der Ilinchetas, auf der Kaffeepflanzung als Verwalterin eingesetzt worden war, eine Aufgabe, die sie zur größten Zufriedenheit aller erfüllte. Sie hatte kleine, nahezu wimpernlose Augen, und über dem meist fest zusammengepressten Mund wuchs ihr ein Oberlippenbärtchen, ein richtiger kleiner Schnauzer.
Don Pedro ging bis ins Speisezimmer und wollte schon der Dienerschaft befehlen, seine und seiner Tochter Ankunft zu melden, als diese ihn zurückhielt und ihm mit kühler, sicherer Stimme Vorhaltungen machte.
»Papa«, sagte das Fräulein, »jeder nur halbwegs intelligente Mensch weiß, dass es von der Vorhalle bis in die Mitte des Speisezimmers, wo du jetzt stehst, genau fünfundzwanzig spanische Ellen sind. Wenn wir davon ausgehen, dass der normale Schritt eines Mannes deines Alters eine halbe Elle lang ist, hättest du nicht mehr als genau fünfzig Schritte machen dürfen. Ich habe aber mit absoluter Sicherheit berechnet, dass du dreiundfünfzig Schritte gemacht hast. Das ist die reine Verschwendung!«
»Du hast recht, Töchterchen«, antwortete geknickt der Vater, der sie bewunderte und fürchtete. Und er entschuldigte sich bei ihr.
Doch in diesem Moment kam schon, in einem Hauskleid aus gelber Serge und zum Ersticken warmen Filzpantoffeln, Doña Rosa die Treppe herunter, weshalb Don Pedro, jeden seiner Schritte sorgsam bemessend, seiner Gastgeberin entgegenging. Nicht so, wenigstens nicht gleich, Fräulein Isabel, die in der Kutschenvorhalle Posten bezogen hatte und das Abladen der aus der Finca mitgebrachten Lebensmittel, Gerätschaften und Geschenke überwachte. Sämtliche Kisten (manche enthielten Geflügel, Eier oder Weidevieh) wurden unter dem prüfenden Blick der Señorita geöffnet, die ihre Hände hineinsteckte, zählte und die Vollständigkeit anhand einer Liste feststellte, die in ihrem Ausschnitt steckte. Als sie schließlich sah, dass nichts fehlte, ging auch sie lächelnd auf Doña Rosa zu, und die Begrüßung konnte beginnen.
Doña Rosa: »Wie steht es mit der Kaffeepflanzung?«
Don Pedro: »Schlecht,
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