Engelsberg
die frisch geweißte Greisin erblickte, die auf einem dicken Brett saß.
»Ach, das ist Mimi, meine Urgroßmutter. Sie ist krank, darum ist sie so bleich … Oma, das ist Señor Gamboa, mein Verlobter.«
»Dein Verlobter? Dein Verlobter! Dein Beschäler, wolltst woll sagn, du Hure! Wer hat schon ne Negerin mit nem weißn Verlobtn gesehn?«
»Sie fantasiert«, erklärte Cecilia verzweifelt. »Das ist das Fieber. Sie ist gerade aus Spanien gekommen.«
»Ja, sie ist sehr blass«, antwortete Leonardo Gamboa, näherte sich neugierig dem glänzenden Körper und entdeckte die schwarze Brust, die Cecilia noch nicht angestrichen hatte.
Leonardo Gamboa lächelte angewidert, verkniff sich aber jeden Kommentar, um nicht die junge Frau zu verärgern, mit der er seinen Spaß haben wollte.
»Leonardo«, sagte Cecilia und umarmte ihn, »versprich mir, dass du mich nie verlässt.«
»Ich schwöre es dir!«, antwortete wie aus der Pistole geschossen und mit Inbrunst der junge Mann, der noch am selben Morgen mit Isabel Ilincheta aufs Land fahren würde, um dort die Weihnachtstage zu verbringen.
»Leonardo, mein Leonardo, versprich mir, dass du mich heiraten wirst, dass du mein Mann sein wirst.«
»Ich schwöre es dir!«, beteuerte Leonardo Gamboa kategorisch, der vorhatte, zwei Wochen später Isabel Ilincheta zu ehelichen.
»Ach, mein Liebster! Niemand wird uns trennen können!«
Bei diesen Worten verriegelte Cecilia die Haustür und kehrte zu ihrem Geliebten zurück.
Kurz darauf wälzten sich die beiden eng umschlungen auf dem Fußboden.
Als sie dort so lagen, im Schimmer der Kerze vor der vom Flammenschwert durchbohrten Muttergottes, nahm Cecilia unauffällig den Pinsel und malerte die verdorrte Brust ihrer Urgroßmutter zu Ende.
Man weiß nicht, ob aus diesem Grunde oder durch einen unbeabsichtigten Tritt, den die Liebenden austeilten, während sie sich aneinander ergötzten, jedenfalls starb an jenem Morgen Amalia Alarcón, schwarz in Guinea auf die Welt gekommen, hundert Jahre später in Kuba vollständig weiß.
Kapitel 20 Der Generalkapitän
In wirklich großer Sorge brach Don Cándido, begleitet von zwei Plantagenbesitzern, den Sklavenhändlern Madrazo und Meriño, auf zum Sitz des Generalkapitäns, um mit dem höchsten Vertreter der spanischen Krone auf Kuba, Don Francisco Dionisio Vives, persönlich zu reden. Doch als sie im Palast anlangten, erfuhren sie, dass der Generalkapitän sich im Castillo de la Fuerza aufhielt, wo er einem Hahnenkampf beiwohnte.
Der Generalkapitän war ein solch begeisterter Anhänger des Hahnenkampfs, dass er ihn zum Nationalspiel erhoben und sogar die Heeresfestung in einen formidablen Hahnenkampfplatz verwandelt hatte. So mussten die drei Männer den weiten Weg auf sich nehmen, und nachdem sie sich vor den verschiedenen Wachposten und Eskorten ausgewiesen hatten, betraten sie den großen Innenhof des Kastells.
Umringt vom Kapitän der Hafenmarine und dem schon bekannten Bischof von Havanna, Señor Echerre, sowie von zwei Konsuln, mehreren Damen des spanischen Adels und zahlreichen Höflingen, verfolgte der Generalkapitän mit gespannter Aufmerksamkeit den Kampf zwischen den beiden Spitzenhähnen, die sich mit wahrem Furor attackierten.
Lauter als das Krähen und Gackern von mehr als hundert Kampfvögeln, die noch auf ihren Auftritt warteten, hallten die begeisterten und nicht immer zitierfähigen Worte des Generalkapitäns wider, wenn der von ihm favorisierte edle Malaie auf seinen Gegner, einen schweren englischen Hahn, einhackte.
Die Person, der Pflege und Training der Hähne oblag, war, neben Meister in diesem Sport oder Spiel, einer der furchtbarsten Mörder des Landes. Offiziell hieß er Botschafter Flórez, sein Spitzname indes war »Blutlache«. Außer zahllosen Verbrechen gegen die einfachen Leute und Folterungen auf Befehl des Generalkapitäns hing ihm auch der heimtückische, gräuliche Mord an einer großen Persönlichkeit der Stadt an. Die Verwandten des Toten, allesamt Adlige und einige von ihnen Geistliche, hatten dem Meuchelmörder ewige Rache geschworen.
Eine Schwester Flórez’ jedoch, von großer Schönheit, hatte sich privatim mit dem Generalkapitän getroffen. Diese drei Tage und drei Nächte dauernde Begegnung, Flórez’ Treue zum Generalkapitän und vor allem seine Kenntnisse in puncto Kampfhähne sorgten dafür, dass der Generalkapitän den Mörder persönlich unter seine Fittiche nahm und ihn, zu seinem Schutz und damit er selbst nicht auf seine
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