Engelsberg
bat den Pater Gaztelu um Asyl und Gnade … So fanden die drei Frauen schließlich Schutz an jenem Ort, an dem nach dem Willen des Gesetzes die weltliche Macht endete.
Eine vielköpfige Schar politischer Verschwörer, flüchtiger Sklaven und auch gewöhnlicher Verbrecher klatschte beim Anblick der drei schönen Frauenzimmer begeisterten Beifall und nahm sie in ihrer Mitte auf.
Während draußen der Pöbel brüllte und drohte, die Kirche niederzureißen, schaute Isabel Ilincheta auf ihre große Uhr, die sie stets um den Hals trug, und als sie sah, dass schon fast die Zeit war, da auf der Kaffeepflanzung die Sklaven gezählt werden mussten, gab sie dem Pferd die Sporen, und mit der Kutsche, in der sich die höchst beunruhigten Herren und Damen des Hauses Gamboa samt ihrem Vater drängten, schoss sie durch die Puerta de la Tenaza und entschwand in einer Wolke von Staub hin zur Kaffeepflanzung El Lucero.
Kapitel 22 Von der Liebe
Eine Liebe, eine große Liebe … Das sollte Cecilias Liebe zu Leonardo sein – und das war sie. Keine flüchtige Leidenschaft, keine Laune, sondern ein vollkommenes Einswerden. Herausforderung und Meisterstreich. Ein Triumph über ihr ganzes bisheriges Leben, über ihre dunkle, zweifellos düstere Vergangenheit, über ihre nutzlose Gegenwart und über die grauenvolle Zukunft, die ihr nach Gesetz und gesellschaftlicher Norm vorherbestimmt war.
Weil eine Liebe, eine große Liebe vor allem ein Sieg sein sollte, ein alles überstrahlender Widerschein, etwas, das ihre höchsten Erwartungen übertreffen würde. Eine große Liebe – sagte sie sich, ahnte, dachte sie – hieß fliehen hin zu dem, von dem wir insgeheim wissen, dass es existiert und auf uns wartet, um ein Ganzes aus uns zu machen. Damit wir endlich wir selbst sind. Denn existierte es nicht, ließe sich das Leben nicht erfragen … Eine große Liebe musste eine Flucht sein. Cecilia wollte nicht glauben, dass die enge Welt des Elends, in der sie immer gelebt hatte, eine so erhabene Leidenschaft zu fassen und nähren vermochte. Eine große Liebe war für sie ein wahngewordenes Märchen, ach, musste es sein: ein verzauberter Prinz, ein ergriffener, ihr verfallener irdischer Gott, ein überlegener, schöner und starker Mann, entschlossen, sie zu nehmen und mit hartem Griff (der eine höchste Lust wäre) weit fortzutragen. Weit fort vom übel riechenden Callejón de San Juan de Dios, weit fort von den engen, feuchten und dunklen Gassen, wo es wimmelte von lauernden grotesken Gestalten, weit fort von jener Welt, in der sich nicht atmen ließ, weil sie kontrolliert wurde von alten Frauen, die ein kleines Vergnügen – das einzige, das es gab – zu einem ständigen Grund der Reue machten … Nein, sie würde nicht wie ihre Großmutter oder ihre Urgroßmutter werden, wie diese verhöhnten, in grollender, unerbittlicher Frömmigkeit eingesperrten Frauen.
Jenseits des Callejón de San Juan de Dios, mit dem ewigen Geschrei und dem Klatsch und Tratsch der schwarzen Straßenhändlerinnen, mit den staubigen, kotbespritzten Hauswänden, gab es den Engelsberg, darauf seine prunkvolle, alles überragende Kirche, und am Fuße des Engelsbergs die Salons und Paläste, Theater, Alleen, Kutschen und Geschäfte, das heißt, die Welt, die wahre Welt, zu der sie, die Leute aus den Gassen, keinen Zutritt hatten. In diese Welt als eine große Dame durch das große Portal der Kirche unter Glockengeläut einzuziehen, auch das war ihr Ziel … Sie würde die Frau sein, die unter dem Schutz des sie ergeben liebenden Mannes, umringt von Missgunst und Juwelen, dieser Welt den Sieg ihrer Schönheit und ihrer Liebe unter die Nase riebe, einen Sieg über die tausend Gesetze und vielfältigen Vorurteile und finsteren Traditionen und machtvollen Interessen, die dieser Verbindung feindlich gegenüberstanden.
Seit frühester Kindheit pflegte Cecilia Valdés oft die steile Treppe des Engelsbergs hinaufzugehen, und versteckt zwischen den Säulen der Kirche schaute sie den herrlichen Hochzeiten zu, welche die feine Gesellschaft von Havanna an diesem Ort feierte, weil er ohne Zweifel der Schauplatz des größten Luxus und Prestiges war. Keine farbige Frau und kein farbiger Mann hatten je hier heiraten dürfen. Diese Zeremonie war allein den Weißen vorbehalten, und unter ihnen den mächtigsten. Doch Cecilia, als Braut von Leonardo Gamboa, würde verlangen, dass ihre Trauung in dieser Kirche stattfände. Der gewichtigste, heiligste und stolzeste Ort der Stadt
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