Engelsberg
Hühner in ihrer Abwesenheit gelegt hatten, in einen Korb, kontrollierte die Vollzähligkeit von Schweinen, Geflügel, Hammeln und übrigem Vieh, kroch in die Bienenstöcke hinein, um jede Honigwabe und die Arbeitsbienen zu zählen; die nutzlosen Bienen zerquetschte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Am Mittag, als der Eierkorb schließlich voll war, legte sie sich ins weiche Gras, um ein kurzes Erholungsprogramm zu absolvieren. Das war der Augenblick, den Leonardo nutzte, um ihr seine Liebeserklärung zu machen.
Von fern waren das Geschrei und der Gesang der Sklaven zu hören. Am Himmel flogen Perlhühner.
»Isabel«, begann der junge Gamboa, »seit Langem schon wollte ich dir gestehen, wie sehr ich dich liebe. Ich möchte so gern, dass du meine Frau wirst. Du vereinst wirklich alles an Tugend, was man …«
»Eins fehlt mir!«, schrie da Isabel in höchster Verzweiflung.
»Was?« Ungläubig starrte Leonardo sie an, überrascht, wie freimütig sie war.
»Das gesprenkelte! Das gesprenkelte Perlhuhn!«, rief Isabel und sprang auf. »Ich habe sie durchgezählt, als sie über uns flogen. Es müssen sechshundertsechs sein, und ich habe nur sechshundertfünf gezählt. Ja, es fehlt das gesprenkelte! Einer von den Negern wird es gegessen haben! Aber die können sich auf was gefasst machen! Die können sich auf was gefasst machen! Blás! Blás!«
In weniger als einer Minute brachen etliche Sklaventrupps und Hundemeuten auf und durchkämmten die Kaffeepflanzung in alle Richtungen, um – tot oder lebendig – den Dieb des Perlhuhns zu fangen, das Isabel zufolge von allen Hühnern, die es gab auf der Finca, am besten legte.
Die Suche nach dem Vogel und seinem Dieb verursachte eine solche Aufregung, dass Leonardo Gamboa davon absah, Isabel noch an diesem Tag seinen förmlichen Antrag zu machen.
»Warte damit, bis ihr in La Tinaja seid«, sagte Don Cándido zu ihm auf der Hausterrasse. »Dort wird es keine solchen Unannehmlichkeiten geben.« Und mit zufriedenem Blick auf die Hundemeuten und die Trupps bis an die Zähne bewaffneter schwarzer Sklaven, die angeführt von Isabel jeden Strauch durchstöberten, rief er:
»Wirklich ein Prachtweib!«
Kapitel 24 Die Dampfmaschine
Plötzlich und wutentbrannt – einer Kanonenkugel gleich – fiel die Sonne hinter einen weiten Palmenhain herab, als der Besitzer der Zuckerrohrplantage La Tinaja zusammen mit seiner Familie sowie Freunden und Angestellten das Kesselhaus betrat.
Der Prozession voran schritt mit seiner viereckigen Mütze und in seiner Soutane für besonders festliche Anlässe der Priester von Mariel. Ihm nach folgten Doña Rosa, ihre drei Töchter und Isabel Ilincheta, alle im langen Kleid mit Überrock und Mantille, von denen jede eine große brennende Altarkerze vor sich hertrug. Dahinter, mit feierlicher Miene und im schwarzen Frack, die Herren Don Cándido de Gamboa, Leonardo de Gamboa, der nordamerikanische Techniker, der Landarzt, der Aufseher und der Zuckerknecht (oder -meister). Alle mit ihrem Hut unterm Arm.
Die bevorstehende Zeremonie war für die Beteiligten von höchster Bedeutung. Zum ersten Mal würde in dieser Zuckermühle – und damit auf ganz Kuba – eine Dampfmaschine in Betrieb genommen werden. Was bedeutete, dass die alte, von Pferden oder Maultieren, ja sogar den Sklaven selbst angetriebene Zuckermühle ausgedient haben und einem sehr viel effektiveren und rentableren Produktionssystem weichen würde.
Die gewaltige Maschine, englischer Konstruktion, aber importiert aus den Vereinigten Staaten, erhob sich unter freiem Himmel mitten auf dem Gehöft, neben dem Kesselhaus, wo zahllose Sklaven, barfuß und in der erstickenden Hitze halb nackt, angetrieben von der Peitsche des Vorarbeiters, unermüdlich rackerten.
Rasch brachten die Bediensteten bequeme Kampeschelehnstühle und Rohrsessel herbei, in denen die Herren und Damen, nachdem sie die brennenden Kerzen vor dem Ungetüm aufgestellt hatten, Platz nahmen, um der Zeremonie beizuwohnen.
Die Kavaliere sprachen dem Wein und den großzügig von Don Cándido spendierten Havannazigarren zu, während die Damen heißen Zuckerrohrsaft mit einem Schuss Kanarenschnaps tranken, formvollendet serviert vom Zuckerknecht, einem gut aussehenden Kreolen, der unübersehbar Adela schöne Augen machte, was ihren Bruder, Leonardo, über die Maßen verdross, weil er nicht zu begreifen vermochte, dass Adela einen anderen Mann als ihn lieben könnte.
Unterdessen warfen die Sklaven, so schnell sie konnten,
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