Engelsberg
aller Art sowie Tausender und Abertausender von Kerzen.
Ein ausgesuchter Knabenchor vom Kollegium der Patres von Bethlehem sang ein Salve. Dann setzte der Hochzeitsmarsch ein, und Isabel Ilincheta, im glänzenden langen, weißen Seidenkleid, mit goldbesticktem Schleier, in einer Hand einen großen Orangenzweig haltend, schritt durch den langen Mittelgang. An ihrer Seite im weißen Frack Leonardo.
Die Brautleute setzten den Fuß bereits auf die letzte Stufe des Altars, wo der Pfarrer und weitere Kirchenmänner darauf warteten, die Trauung vorzunehmen, als plötzlich hinter den Säulen des Gotteshauses ein Mulatte mit tief ins Gesicht gezogenem Hut auftauchte, Leonardo anrempelte und augenblicklich verschwand.
Der junge Gamboa griff sich an die Brust, stieß ein dumpfes Röcheln aus, stützte sich auf Isabels Arm. Über der linken Brustwarze war das Messer bis ins Herz gestoßen.
Im Bruchteil einer Sekunde begriff Isabel, die den Mordanschlag als Einzige wahrgenommen hatte, dass, wenn es keine Hochzeit gäbe, das Vermögen der Gamboas nicht in ihre Hände käme. Darum steckte sie kurz entschlossen, während sie dem drängenden Publikum überglücklich zulächelte, dem Bräutigam den Orangenzweig in die Wunde, verhinderte so, dass er augenblicklich verblutete, und mit ihrem anderen, vom Brautkleid verhüllten, kräftigen Arm zog sie Leonardo hinauf zum Altar, wo der Priester mit Bestürzung sah, wie der junge Mann immer bleicher wurde. Geschwind antwortete die Braut auf die Fragen des Geistlichen, mit gepresster Stimme sprechend, wenn sie für Leonardo antwortete. Mit flinkem Geschick nahm sie selbst den Austausch der Eheringe vor, und immer noch lächelnd, während sie den sterbenden Gemahl festhielt, küsste sie seine Wangen … Mit wachem Verstand, wie ihn nur wenige besitzen, schoss ihr da durch den Kopf, dass wenn sie von diesem mit dem Tode ringenden Mann kein Kind hätte, Don Cándidos Advokaten, dieses gebildete, abscheuliche Ungeziefer (sagte sie sich), sie enterben würden.
Unter den Augen der fassungslosen Priester, Nonnen und Chorknaben sowie der gesamten versammelten vornehmen Gesellschaft paarte sich so mitten auf dem Altar, seine letzte Zuckung ausnutzend, derer sie wie bei jedem Sterbenden (das wusste sie) gewiss sein konnte, Isabel Ilincheta mit dem dahinscheidenden jungen Mann.
Da hallte das Kirchenschiff wider von empörtem, schrillem Geschrei des Staunens und Protestes.
Nachdem die nötigen Verrichtungen erledigt waren, zog die frischgebackene Witwe den Orangenzweig aus der Wunde, und das angestaute Blut, das durch die absolvierte Anstrengung noch stärker pulste, spritzte jetzt als gewaltiger Schwall über das kostbare Brautkleid und die Gesichter der Umstehenden.
Da hallte das Kirchenschiff ein zweites Mal wider von empörtem, schrillem Geschrei des Staunens und Protestes.
»Haltet den Mörder! Haltet den Mörder! Haltet den Mörder meines Gatten!«, schrie in diesem Moment Isabel und wies auf die Säulen, hinter denen vor einer Weile schon José Dolores Pimienta verschwunden war.
Da hallte das Kirchenschiff ein drittes Mal wider von empörtem, schrillem Geschrei des Staunens und Protestes. Und fast die gesamte Hochzeitsgesellschaft stürzte José Dolores Pimienta hinterher, der die Lustbarkeiten des Feiertages ausnutzte, die Stadtmauer passierte und in die unberührten Gefilde vor den Toren der Stadt entschwand.
Völlig niedergeschmettert kehrte Don Cándido an jenem Nachmittag in sein Haus zurück. Mit einem Schlag war das gesamte Vermögen der Gamboas Isabel Ilincheta in die Hände gefallen, und damit nicht genug, war sein Sohn von einem Mulatten getötet worden, und seine über alles geliebte Tochter Carmen war mit einem Schwarzen geflüchtet, hatte ihren Vater zum Gespött der Leute gemacht und den Generalkapitän (der untröstlich war über den Verlust, der seinen Günstling getroffen hatte) in so blinde Wut versetzt, dass dieser wenige Stunden später Don Cándido beschuldigte, selber der Verderber des jungen Schwarzen zu sein, und ihm befahl, das Land zu verlassen. Was dieser so arm würde tun müssen, wie er gekommen war, nur dass er jetzt ein alter Mann war.
Das Haus von einem Neger entehrt, er selbst wirtschaftlich ruiniert, das waren zwei Dinge, die Don Cándido nicht verkraften konnte (und auch nicht wollte).
»Tirso!«, rief er. »Bring das Kohlebecken.«
Im Nu war der Sklave mit dem riesigen, qualmenden Kohlebecken zur Stelle und blieb verwirrt vor seinem Herrn stehen,
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