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Engelsberg

Engelsberg

Titel: Engelsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinaldo Arenas
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unbeirrbar jede Bewegung des Generalkapitäns imitierte und sich daher nicht gerührt hatte, sowie Isabel Ilincheta und Leonardo Gamboa, die ganz in ihre Berechnungen vertieft waren, wie groß ihrer beider Vermögen sein würde, wenn sie erst vereint wären. Natürlich retteten auch Seine Exzellenz der englische Generalkonsul und Admiral Lord Clarence Paget ihr Leben.
    »Eine merkwürdige Art zu feiern haben diese Indios«, bemerkte treffend der Konsul, während er, Leichnamen ausweichend (und manchmal auf sie tretend), mit großer Würde den Totentempel verließ.
    »Wahrhaftig …«, ergänzte Lord Clarence Paget und folgte vorsichtig dem Konsul.
    Carmen und Tondá übrigens, die nur füreinander Auge und Ohr hatten, nutzten die Katastrophe, um sich der Kutsche des Bischofs zu bemächtigen (Hochwürden würde ihrer eh nicht mehr bedürfen), und Hals über Kopf jagten sie zur Stadt hinaus, entschwanden in jungfräuliche Gefilde, wo Carmen ihre Jungfräulichkeit augenblicklich verlor.

Kapitel 32 Die Hochzeit
    Der Tod Doña Rosas und Adelas wie auch der Don Pedros erleichterte Don Cándidos Plan, Leonardo Gamboa mit Isabel Ilincheta zu verheiraten. Er wusste, dass Isabels Vater sie zu sehr geliebt hatte, als dass er sie zu seinen Lebzeiten einem anderen Mann überlassen hätte. Mit Leonardos Mutter und jüngerer Schwester war es das Gleiche. Sie beide liebten ihn so sehr, dass sie jede Frau aus dem einen oder anderen Grund seiner nicht für würdig hielten, bis auf sich selbst vielleicht … Blieb nur ein Hindernis: Cecilia Valdés. Damit der junge Mann seine Geliebte vergäße (und weil er seinen Ehrgeiz kannte), hatte Don Cándido ihm sein ganzes Vermögen zum Hochzeitsgeschenk gemacht, nebst dem funkelnagelneuen Titel, den er, jawohl, bei den Königen von Spanien höchstselbst um den Preis eines Vermögens gekauft hatte und mit dessen Eintreffen jeden Tag zu rechnen war, von Don Cándido mit größter Begeisterung erwartet und als Höhepunkt all seiner Anstrengungen betrachtet. Außerdem würden, Don Cándido und seinen gewieften Advokaten zufolge, Vermögen und Titel im Hause Gamboa bleiben, da ihre Verwaltung dem Gesetz nach dem Ehemann zufiel. Zum anderen wäre das Vermögen bei einer Heirat mit Isabel nicht nur sicher verwahrt, sondern es würde sich zumindest verdrei- oder vervierfachen.
    Rasch wurden alle Vorbereitungen getroffen, und am 6. Januar, am Dreikönigstag, derweil sich das einfache Volk mit Masken und Zapateos am Fuße und auf der Stadtmauer vergnügte und feierte, stiegen die Damen, die das Unglück beim Fest der Philharmonischen Gesellschaft überlebt hatten (weil sie nicht hingegangen waren), ganz in Schwarz gekleidet und mit Mantille, hinauf zur Engelskirche.
    Natürlich fand sich jemand, der Cecilia Valdés die bevorstehende Vermählung ihres Geliebten mit Isabel Ilincheta wissen ließ. Nemesia Pimienta persönlich, die mit jedem Tag nachtragender, verbitterter und eifersüchtiger wurde, aber noch immer einen Funken Hoffnung hegte, Leonardo Gamboas Geliebte zu werden, war die Überbringerin der Nachricht.
    Wutentbrannt und mit dem großen Küchenmesser in der Hand rannte Cecilia Valdés auf die Straße, durchquerte die Stadt mehrmals in die eine und in die andere Richtung und betrat schließlich, vollkommen außer sich, die Schneiderei, in der José Dolores Pimienta arbeitete.
    »José Dolores! José Dolores!«, schnaufte Cecilia und umarmte zum ersten Mal den Mulatten, der sie anbetete. »Diese Hochzeit darf nicht stattfinden.«
    »Du kannst dich auf mich verlassen, Cecilia, sie wird nicht stattfinden«, sagte der junge Mann, ergriff das Messer und ging auf die Straße.
    Das Haar zerzaust, das Kleid verrutscht, schrie Cecilia noch einmal:
    »José Dolores, nicht ihn! Sie, nur sie!«
    Niemals haben so wenige Worte einem Menschen so viel Schmerz zugefügt. Denn in diesem Moment begriff José Dolores Pimienta, wie grenzenlos Cecilia Leonardo liebte und wie sehr sie ihn verachtete. Doch der Mulatte biss sich auf die Lippen, um der geliebten Frau nicht das Wort an den Kopf zu schleudern, das herauswollte aus ihm, und lief zur Kirche.
    Vor der großen Freitreppe, die zur Kathedrale hinaufführte, grüßte Don Cándido, tadellos gekleidet und mit dem Hut in der Hand, alle, die kamen. Zahlreiche Damen, die ihre Kutschen unten stehen ließen, gesellten sich der schon vielköpfigen Schar hinzu. Die Kirche war voll bis auf den letzten Platz, und der Altar prangte in der strahlenden Pracht von Blumen

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