Engelsblut
Und aus welchem Grund?«
Darauf wusste Margot auch keine Antwort.
Noch nicht.
Horndeich betrat das Büro, das er sich mit seiner Kollegin Margot teilte. Heribert Zoschke, altgedientes Mitglied der Mordkommission, und Paul Baader, der Leiter der Spurensicherung, saßen ebenfalls dort.
Horndeich fragte: »Also, was sagen die Spuren?«
Baader nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. »Die Jungs sind noch nicht ganz durch. Aber einiges wissen wir schon. Vor allem, dass nicht alles zusammenpasst. Fangen wir mit den Einbruchspuren an: Alle Schlösser sind unversehrt. Nur das Glas an der Terrassentür ist zerbrochen. Die Terrassentür hat an der Klinke ein Schloss, aber das war nicht verschlossen. Es gibt an der Tür sogar noch zwei weitere Zusatzschlösser, die ebenfalls nicht verriegelt waren. Nachdem die eine Scheibe durch war, musste der Eindringling nur noch die Klinke runterdrücken.«
»Du denkst, dass es ein Mann war?«
»Wir haben einen Schuhabdruck im Blut gefunden.«
»Das ist ja nett. Und der stammt von einem Mann?«, fragte Margot.
Horndeich hatte ein Pad in die Kaffeemaschine eingelegt. Als zwei Monate zuvor ihr Kaffeeautomat den Geist aufgegeben hatte, war die nächste Generation gefolgt. Noch besser, noch mehr Programme. Horndeich vermisste die gute alte Maschine, in der man einfach eine ganze Kanne brühte und nicht für jede Tasse einzeln anstehen musste. Zumal die Kaffeedüse einen Zentimeter tiefer hing als die bei der Vorgängermaschine. Weshalb er eine neue Tasse gebraucht hatte, da die alte nicht darunterpasste. Er hatte wieder eine Tasse mit einem Smiley gewählt. Dem aufgedruckten Mund hatte jemand einen zweiten spendiert, mit Edding und nach unten gezogenen Mundwinkeln. Horndeich hatte keine Lust, wieder eine neue Tasse zu organisieren. Wenn ihn jemand auf diese seltsame Tasse ansprach, antwortete er, er habe ganz einfach die erste Smiley-Tasse mit Borderline-Syndrom. Er scheuchte eine Fliege fort, dann stellte er die Tasse unter die Düse.
»Arbeitshypothese. Ich meine, welche Frau hat Schuhgröße 43?«
»Okay, überzeugt. Habt ihr das Profil schon checken lassen? Haben vielleicht die Jungs vom LKA was in ihrer Datenbank?«
»Das ist das Problem. Wir haben die Größe, aber kein Profil. Wer auch immer da rumgestapft ist – er kam, nachdem das Blut getrocknet war. Und nachdem die Maden die Leiche verlassen hatten.«
»Hä? Wie verlassen? Zum Verdauungsspaziergang?«, wollte Horndeich wissen.
»Nein, nicht ganz. Nachdem aus den Fliegeneiern Larven geworden sind, fressen die erst mal vor Ort, was sie kriegen. War in dem Fall ja das Schlaraffenland. Für die Verpuppung aber verlassen sie den Fressort – in unserem Falle Paul Aaner – und suchen sich eine geschützte Stelle. In unserem Fall den Teppich. Und auf die ist unser Dieb draufgetreten, bevor sie sich verpuppen konnten.«
»Und wann war das?«
»Wenn die Maden sich verpuppt haben, schlüpfen bald darauf die Fliegen. Die sehr schnell geschlechtsreif werden. Und da wir nicht wissen, aus welcher Generation die Maden sind, die unser Einbrecher plattgetreten hat, können wir nur den frühesten Zeitpunkt bestimmen.«
»Mein Gott, ist das eklig«, stöhnte Margot.
»Schon«, sagte Baader, »aber es ist auch Wissenschaft.«
Die Fliege setzte sich abermals auf Horndeichs Tasse. Und sofort fragte er sich, wo die wohl herkam. Und wo sie als Larve Futter gefunden hatte. Er hatte die kleinen Summer eigentlich immer gemocht. Zumindest nicht nicht gemocht. Dieser Fall bescherte ihm nun eine ganz neue Sicht auf die fliegenden Zimmergenossen. Keine bessere. Er ertappte sich dabei, wie er von der Rolle neben der Kaffeemaschine ein Küchentuch abriss und den Rand seiner Tasse abwischte.
»Ich habe mit dem LKA telefoniert«, fuhr Baader fort. »Die schicken Uwe Fasset her.«
Die Fliege hatte sich nun auf Margots Tasse gesetzt. Kurz überlegte Horndeich, ob er seine Kollegin darauf aufmerksam machen sollte. Ohne hinzusehen, griff Margot zu ihrer Tasse. Die Fliege hob ab. Und Margot trank. Ein Schauder lief über Horndeichs Rücken. Ein richtiger Tsunami-Schauder …
»Wer ist Uwe Fasset?«, fragte Margot, nachdem sie die Tasse wieder abgesetzt hatte.
»Ein forensischer Entomologe. Herr der Fliegen, sozusagen. Vielleicht kann er uns noch etwas genauer sagen, wann der Typ dort herumgestapft ist.«
»Aber das ist nicht unser Mörder, denn er kam ja erst, als die beiden schon länger tot waren«, dachte Horndeich laut nach.
»Das ist
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