Engelsblut
uns hier antanzen lassen?« So langsam registrierte Margot auch bei Horndeich einen gewissen Unmut. In seiner Stimme schwang bereits das leise Grollen eines entfernten Gewitters mit.
Hinrich strahlte: »Den persönlichen Eindruck kann nichts ersetzen.«
Horndeich sah Margot an, aber die wusste auch nicht, was sie von dem seltsamen Auftritt halten sollte.
»Wann erfahren wir etwas über die beiden Leichen von heute?«
»Ich bitte Sie, wir wollen uns diesen schönen Sonnentagdoch nicht mit verwesten Leichen verderben, nicht wahr?«
Margot sah auf ihre Uhr. Kurz vor fünf. Ein bisschen hätte sich Hinrich schon noch der Arbeit widmen können.
»Sie machen Feierabend?« Horndeichs Grollen wurde lauter.
»Ja. Und das würde ich Ihnen auch empfehlen. Sehen Sie, es sind die letzten Tage, die Sie noch im Freien verbringen können. Eine schnuckelige Apfelweinkneipe in Sachsenhausen wäre mein Tipp. Leider kann ich Sie nicht einladen, denn ich habe bereits eine Verabredung.« Mit diesen Worten ging Hinrich auf die Tür zu, öffnete sie und schaltete die Beleuchtung aus.
»Geht’s noch?« Jetzt schnappte Horndeich nach Luft. Hoffentlich würde er nichts Unüberlegtes tun, dachte Margot. Den überheblichen Mediziner etwa ins Auge pieken. Schließlich brauchten sie ihn noch.
Horndeich drückte seinen Zeigefinger gegen Hinrichs Brust: »Morgen. Morgen bekommen wir Ihren Bericht über die Aaners. Sonst …«
Mit Drohungen, die man nicht umsetzen kann – oder umsetzen darf –, sollte man vorsichtig sein, dachte Margot.
Hinrich schob Horndeichs Hand zur Seite und sah Margot an: »Fahren Sie, und gönnen Sie Ihrem Kollegen ein Schöppchen.«
Auch Margots Geduldsskala war langsam im roten Bereich. »Morgen. Keine Ausflüchte.«
»Tztztz, so ungehalten. Dabei wollte ich Ihnen nur einen Gefallen tun.«
Margot und Horndeich gingen wieder in Richtung Parkplatz, und Hinrich folgte.
Als sie die Autotür öffnete, sah Margot den Wagen sowie die Brünette, die sich lässig daran anlehnte. Sie hielt einen Zigarillo in der Hand und nickte den Beamten zu. Der Wagen war ein Crossfire. Aber in Schwarz. Mit viel Chrom und Niederquerschnittsreifen auf Alufelgen. Margot verstand nicht.
Dann sah sie Horndeichs Gesichtsausdruck – in dem kein Fragezeichen, sondern ein Ausrufezeichen stand.
Hinrich ging auf die Brünette zu und begrüßte sie mit einem Kuss, der definitiv jede Verwandtschaftsbeziehung ausschloss.
Die Szenerie wirkte auf Margot irgendwie surreal. Und Horndeichs Miene, die sich verfinstert hatte wie ein Abziehbild des Hau-drauf-und-Schluss-Schauspielers Steven Seagal.
Hinrich öffnete der Barbie galant die Tür und ging dann um den Wagen herum. Bevor er selbst einstieg, tippte er mit der Hand an die Schläfe. Sekunden später brüllte der Motor auf, und ein paar Steinchen prasselten durch die Luft, als Hinrich Gummi gab.
»Die Potenz im Vergaser«, grunzte Horndeich.
»Ich habe immer noch keine Ahnung, was das soll. Seine Freundin ist doch blond.«
»Jetzt nicht mehr. Also wahrscheinlich immer noch, aber sie ist nicht mehr seine Freundin. Er hat jetzt etwas Rassiges, unser Hengst.«
»Und deshalb hat er uns nach Frankfurt bestellt?«
Die beiden Beamten stiegen ein. Horndeich schüttelte den Kopf. »Nein, er wollte mir nur zeigen, dass er den Größeren hat.«
Margot starrte Horndeich an. »Wie bitte?« Sie startete den Motor.
»Crossfire SRT 6. Der bessere Mercedes SLK 32 AMG. 3,2 Liter. 335 PS. Und so weiter und so fort.«
Margot legte den Gang ein. Mit dem kleinen Polizei-Benz würde sie sicher keine Steinchen dem Kampf gegen die Gravitation aussetzen.
»Was für ein Spinner. Lässt uns hier anrauschen als Publikum für seine Dellen im Ego.«
»Tja, vielleicht ist schon mehr vom Lack ab, als er sich eingestehen möchte.«
Horndeich grinste.
Na also. Stimmung besser. Aber wenn Hinrich morgen nicht die Untersuchungsergebnisse der Aaners lieferte, dann konnte er was erleben.
»Und ich kenn die Tussi. Ich hab die irgendwo schon mal gesehen.«
Auf dem Weg nach Darmstadt schwieg Horndeich zunächst.
»Was ist los?«
»Was soll schon los sein?«
»Gestern im Wald, dass du da abgehauen bist. Und gerade die komische Reaktion im Sektionssaal. Was ist?«
Horndeich sah seine Kollegin an. »Das geht mir mehr an die Nieren, als ich das gern hätte.«
»Und warum?«
Horndeich zögerte. »Das reißt eine Erinnerungskiste auf, die ich gern geschlossen gelassen hätte. Du weißt ja, dass ich als Jugendlicher in
Weitere Kostenlose Bücher