Engelsblut
Breklau rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
»Und was machen Sie beruflich?«
»Ich bin selbstständiger Handelsvertreter.«
»Aha. Und mit was handeln Sie so?«, hakte Horndeich nach.
»Mit hochwertigem Kochgeschirr. Und Haushaltsreinigungsgeräten.«
»Sie klingeln also an den Haustüren und versuchen, Töpfe und Staubsauger an den Mann beziehungsweise an die Frau zu bringen?«, versuchte Horndeich, den Mann richtig zu verstehen.
»Nein. Ich mache keine Haustürgeschäfte. Ich verabrede mich telefonisch mit meinen Kunden. Und die meisten rufen mich an, damit ich zu ihnen komme.«
Horndeich war diese Art des Verkaufs zuwider. Aber Sandra stand auf so was. Er war einmal bei einer Kerzenverkauf-Party zugegen gewesen. Die bemüht heitere Stimmung, bei der es nur darum ging, dass die bemüht Heiteren möglichst bemüht viele Kerzen kauften, deren Vorteile ihnen eine bemüht Vorteilskundige schmackhaft machen wollte – das war ihm einfach nur auf den Keks gegangen. Kerzen waren für Horndeich alle gleich, und seine herausfordernden Fragen an die Kerzenexpertin hatten ihm nicht nur von Sandra böse Blicke eingebracht. Die hatte dann, wohl auch als Wiedergutmachung für sein Fehlverhalten, für zweihundert Euro Kerzen gekauft.
Und Horndeich hatte beschlossen, dass er, um den häuslichen Frieden zu wahren, an keiner dieser Pseudopartys mehr teilnehmen würde. Es reichte völlig aus, dass sie nun einen Vorrat an Kerzen hatten, mit dem ihre Tochter noch die zukünftigen Enkel würde beglücken können.
»Warum Staubsauger und Töpfe?«, wollte Horndeich wissen.
»Ganz einfach: Der Markt für Haushaltsreinigung ist ein Tagsüber-Markt. Die Vorteile unseres Kochgeschirrs hingegen lassen sich am Abend in entspannter Atmosphäre besser zeigen.«
»Das klingt nicht nach einem Achtstundentag«, fuhr Horndeich leicht provozierend fort und fragte sich, ob er das Wort Tagsüber-Markt wohl im Duden fände.
»Haben Sie auch nicht, nehme ich an.«
Touché, dachte Horndeich.
»Man muss eben ein bisschen Zeit investieren, denn in meinem Job ist Zeit wirklich Geld.«
»Und Frau Warka wollte bei Ihnen Töpfe und einen Staubsauger kaufen?«
»Nein. Ich habe Susanne Warka in der Post gesehen.«
»Und sich sogleich in sie verliebt?«
Margot warf Horndeich einen giftigen Blick zu. Ja, er sollte wohl etwas neutraler sein. Aber er erinnerte sich daran, dass ein Staubsaugervertreter einmal Dreck auf dem Teppich ihrer Familienwohnung ausgekippt hatte, just in dem Moment, als ein Stromausfall das Viertel drei Stunden lang in die Steinzeit befördert hatte. Der Vertreter konnte nichts dafür. Aber er hatte den Dreck auch nicht weggemacht. Meinte, das könne Horndeichs Mutter ja dann wegsaugen. Mit dem alten Staubsauger, der dafür wohl gerade noch gut genug gewesen wäre. Okay, die Gegenfrage mit dem Liebeswahn von Richard Gere light war zugegebenermaßen vielleicht ein wenig plump gewesen.
»Ja, so doof das klingen mag. Ich sah sie, und ihr Lächeln hat mich bezaubert. Ich habe meine Briefmarken gekauft und ihr danach eine Rose gebracht. Nennen Sie es kitschig – aber so war es.«
»Haben Sie sich mit Susanne anschließend dann privat getroffen?«
»Ja. Aber erst ein paar Monate später. So vor einem guten halben Jahr. Im März. Aber wir sind extra nach Zwingenberg gefahren. Sie wollte nicht, dass jemand sie sieht.« Julius Breklau hielt inne. »Woran ist sie denn gestorben?«
»Sie wurde ermordet«, sagte Horndeich nur und fügte sogleich an: »Und – sind Sie sich nähergekommen?«
Breklau blitzte Horndeich an. Die Antipathie schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. »Wenn Sie meinen, ob wir zusammen im Bett waren, dann nein. Wenn Sie meinen, dass wir uns gut unterhalten und einander zugehört haben, dann ja.«
»Frau Warka war also nicht von Ihnen schwanger?«
»Sie war schwanger? Das wusste ich nicht. Und nein, wenn sie schwanger war, dann nicht von mir.«
»Sicher?«
Breklaus Gesichtshaut nahm nun einen tiefen Rotton an. Aber nicht aus Scham, sondern vor Wut. »Herr Horndeich, hören Sie mir nicht zu? Wir waren nicht intim miteinander. Und was nötig ist, damit eine Frau schwanger wird, das wissen Sie doch, oder?«
Margot übernahm wieder. Gute Idee, dachte Horndeich. »Wie oft haben Sie sich gesehen?«
»Anfangs nur ab und zu, und so seit zwei Monaten etwa einmal pro Woche.«
»Was hat Frau Warka Ihnen erzählt? Hatte sie Sorgen? Hatte sie Feinde? War sie anders in letzter Zeit?«
»Sie sagte, dass es ihr
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