Engelsblut
ein Problem. Ihr Cousin würde keine Sekunde zögern, sie anzuzeigen. Aber es wäre wichtig, den Schmuck schätzen zu lassen. Das wäre sie ihrer Cousine schuldig. Ihr Cousin wolle seine Schwester ausboten. Ihr selbst, so sagte sie, gehörten zwei Stücke. Ein Armband aus Weißgold mit vielen Brillanten.«
Tramer klickte ein paar Bilder zurück: »Dieses hier. Und dann das Collier dazu, hier.«
Der Juwelier hatte die Schmuckstücke auf einer blauen Samtunterlage fotografiert. »Sie bot mir für das Schätzen einen guten Preis und eine Zulage für den Expressservice.«
»Haben Sie ihr die Story abgekauft?«
Tramer lächelte. »Wissen Sie, ich habe diesen Laden jetzt seit fünfunddreißig Jahren. Seit fünfundvierzig Jahren arbeite ich hier. Es gibt kaum etwas, was ich noch nicht gesehen oder gehört habe.«
»Das beantwortet meine Frage nicht.«
»Nun, es war eine wilde Geschichte. Aber sie war so wild, dass sie schon fast wieder möglich erschien. Und die junge Dame – ich nehme nicht an, dass ›Lambert‹ ihr richtiger Name war – hatte ja auch nur um eine Schätzung gebeten. Die meisten, die mit gestohlenen Sachen kommen, wollen sie so schnell wie möglich zu Geld machen.«
»Sie waren also nicht skeptisch, haben nicht befürchtet, dass es sich um gestohlenen Schmuck handelte.«
»Doch. Ich bin immer skeptisch. Das gehört zum Beruf. Deshalb habe ich die Schmuckstücke auch in der Datenbank abgefragt. Es gibt ja inzwischen den Juwelier-Warndienst. Da hat uns das Internet schon einen Segen beschert. Vor zwanzig Jahren war das noch nicht möglich. Aber der Schmuck war dort nirgendwo als vermisst gemeldet. Der Schmuck war nicht nur schön, sondern auch wertvoll. Alles zusammen rund eine halbe Million Euro.«
»Was passierte dann?«
»Die Dame kam zurück. Diesmal in Begleitung des Mannes. Sie stellte ihn mir nicht vor. Er wirkte sehr verschüchtert. Sagte kein Wort. Offensichtlich fühlte er sich nicht sehr wohl in seiner Haut. Und er war ziemlich verliebt in die junge Dame. Nun, die sagte, sie habe damit gerechnet, dass der Schmuck sehr viel mehr wert sei, als der Cousin behauptete.«
»Dann bezahlte sie und ging?«
»Ja. Und Sie werden mir jetzt erzählen, dass der Schmuck tatsächlich gestohlen ist, nicht wahr?«
»Höchstwahrscheinlich.«
Abermals seufzte der Mann. »In was sie da wohl reingeraten ist.«
Margot kommentierte das nicht.
»Wissen Sie, sie machte auf mich nicht den Eindruck einer professionellen Diebin. Sie gab sich zwar kalt und entschlossen, aber gleichzeitig schwang etwas Trauriges, fast Verzweifeltes in ihrer Ausstrahlung mit.«
»Sie haben nicht zufällig eine Kamera installiert, die Ihre Räume überwacht?«, brachte sich nun Ole Greven ins Gespräch ein.
»Aber natürlich habe ich das. Und um Ihrer Frage zuvorzukommen: Ja, ich kann Ihnen Fotos geben. Von beiden. Kommen Sie bitte mit.«
Der Juwelier führte die Beamten in einen der rückwärtigen Räume. Es handelte sich unverkennbar um das Büro des Chefs. Auch hier dominierte dunkles Holz bei allen Einrichtungsgegenständen.
Auf dem großen Schreibtisch stand ein riesiger Monitor. Die Beamten nahmen Platz auf den vor dem Schreibtisch stehenden Stühlen. Tramer setzte sich hinter den Tisch. Er schob die Tastatur und die Maus an den richtigen Platz, dann drehte er den Monitor so, dass auch die Beamten einen Blick darauf hatten.
Tramer rief ein Programm auf. Margot erkannte, dass es sich um die Steuerung der Überwachungsanlage handelte. Auf dem Monitor waren acht Fenster zu sehen, die jeweils einen Raumausschnitt zeigten, den eine Kamera lieferte. In einem der Fenster erkannte Margot sich selbst.
Tramer gab Datum und Uhrzeit in die vorgegebenen Felder ein. »Na, da hat es sich ja fast bezahlt gemacht, dass ich vor einem Jahr die neue Anlage installiert habe. Hat mein Schwiegersohn gemacht. Wir haben vier Monate davor einmal zusammen ›Aktenzeichen XY … ungelöst‹ geschaut. Und er hat sich darüber aufgeregt, was denn die ganzen Raumüberwachungen in Banken oder bei Juwelieren bringen sollten, wenn man im Ernstfall darauf dann nur Klötzchenkino, grau in grau, bekäme. Nun, wenig später hat er meine Anlage komplett neu aufgesetzt. Ist jetzt alles in HD.«
Er klickte noch ein paarmal auf der Maus herum, dann sagte er nur: »Jetzt.«
Eine der Kameras war in Augenhöhe auf die Eingangstür gerichtet und erfasste das Gesicht der vermeintlichen Irina Lambert auf einem der Kamerafenster auf dem Monitor. Tramer klickte
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