Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
Vom Netzwerk:
deutlicher vor Augen halten, wie sehr du mich brauchst.«
    Erbleichend blickte Samuel ihn von der Seite an, entriss ihm wütend den Arm und wollte ihm ebenso wütend widersprechen.
    Doch während er noch sprach, lächelte Grothusen bereits wieder, neigte sich devot und anbiedernd und schritt leichtfüßig weiter, als wäre nie ein lautes Wort zwischen ihnen gefallen. Hierauf verbiss sich Samuel die Antwort und folgte widerwillig.
    »Ich warne dich!«, fuhr Lena den Doktor an, als Samuel schwieg und jetzt hinter ihnen trottete wie vormals sie. »Wenn du’s nicht gut mit Samuel meinst, dann bekommst du’s mit mir zu tun!«
    Ihre Stimme war höher als sonst. Sie ging nicht festen Schrittes, sondern trippelte.
    Abrupt drehte sich Grothusen zu ihr um, vergaß erneut sein Lächeln und packte sie so fest wie vorhin Samuel. »Ach tatsächlich?«, fragte er.
    Sein Griff verstärkte sich. Sie fühlte jeden Finger einzeln und dachte kurz, dass diese Hand nicht zaudernd und sprunghaft war wie die Samuels, dass die sie nicht loslassen würde, wenn sie sich ihr hingebe, dass diese Hand hielt, was ihr fester Druck versprach. Hitzig stieg es ihr vom Bauch ins Gesicht. Sie fühlte Grothusens Atem gehen und folgte beim Luftholen seinem Takt.
    Dann hörte sie Samuel nachkommen, senkte rasch den Kopf und trat zurück. Jetzt erst ließ Grothusen sie los, und sie sprachen beide kein weiteres Wort. Nur ihre Hände zitterten – die des Doktors ebenso wie Lenas.
    Ein leiser Wettstreit entbrannte zwischen Samuel und Grothusen, während der eine malte und der andere für ihn redete. Die übrigen Künstler beobachteten das seltsame Zusammenspiel, das meistens höflich war, manchmal feindselig aber immer wortkarg blieb. Manch einer zeigte darob Erstaunen, ein anderer sogar Ärger. Doch dass Samuel in Cronberg lebte und schuf und dass er Grothusens Auserwählter war, war von niemandem zu ändern und wurde zuletzt hingenommen – in gleicher Weise wie Andreas und Lena sich daran gewöhnten.
    An einem Tag – es war Ende Juni, der Himmel war blau, als hätte Gott Lapis Lazuli mit dem Mörser zermahlen und das Pulver in die verbeulten Himmelsrichtungen geschleudert – geschah es, dass sich ein großer Gast ankündigte. Es war ein Maler, der zu den Ersten gehört hatte, die in Cronberg lebten und malten; seine Schüler nannten ihn den »König«, viele erwarteten und alle fürchteten ihn.
    »Wirst sehen«, meinte einer, der Philipp hieß, zu Samuel, »er ist keiner, der mit sich reden lässt. Er findet dich gut oder schlecht – ist aber Ersteres der Fall, so wird er dich mit Haut und Haar zu seinem Schüler machen ... «
    Samuel blieb gleichgültig. Er wollte zu keinem engeren Kreis gehören – weder zu jenen, die bei Jakob Becker studierten, noch zu denen, die nun ungeduldig auf besagten Anton Burger warteten. Ohne Interesse zu zeigen, erfuhr er, dass Burger aus Paris zurückkehre, wohin er nach dem Tod seiner Frau aufgebrochen sei, dass er seit kurzem wieder in Frankfurt lebe und dass er nun entschieden habe, nicht nur den Sommer, sondern das ganze Jahr in Cronberg zu verweilen. Samuel fragte nicht nach, fand sich zwar im Gasthof Adler ein wie stets am Abend, aber fieberte der Ankunft des ihm unbekannten Künstlers keineswegs entgegen.
    Aufregung herrschte im Gasthof. Der Ränkerwirt gaffte neugierig. Die Töchter der besseren Cronberger Familien kamen schauen. Es hieß, dass Anton Burger zu den Ersten seiner Zunft gehörte, der Frau wie Mann gleich schätzte und sogar Schülerinnen hatte.
    Die Künstler hatten ihre Bilder in die Wirtsstube gebracht, um sie bewerten zu lassen. »Wirst sehen«, hörte Philipp nicht auf, an Samuels Ohr zu kleben, »wenn er will, kann er dich mit einem Satz vernichten ...«
    Grothusen weilte bei ihnen, aber verriet seine Gedanken nicht. Kein einziges Mal trat er vor die Türe, um den Gast mit den anderen zu erwarten. Er rauchte wie stets, und selbst als Anton Burger kam – eine kleine sehnige Gestalt mit stechendem Blick, bäuerlich-derben Händen und festem Schritt –, tat er nichts, ihn zu begrüßen. Bei seinem Eintritt dachte Anton Burger nicht daran, die Bilder der Studenten zu bestaunen. Entschlossen setzte er sich fürs Erste an den Tisch, ruhte sich aus, aß Rippchen und trank Apfelwein – ohne zu grüßen, ohne zu sprechen und ohne zu bekunden, dass er sich freute, wieder hier zu sein.
    Seltsam still blieb es im Wirtssaal des Gasthofs Adler, bis Burger endlich das Mahl beendet hatte. Ehrfurchtsvoll

Weitere Kostenlose Bücher