Engelsblut
erlaubt! Zu verblödet seid ihr zu erkennen, dass ich nichts anderes will, als euch eben dieses Geld aus der Tasche zu ziehen! Ihr taugt nicht einmal, mich als Betrüger zu entlarven, weil Menschen wie ihr euch Vertrauen leisten könnt!
Pack! Pack! Pack!
Eines Tages werdet ihr erkennen, dass ihr ohne einen wie mich gar nicht sein könnt! Eines Tages wird euch nichts anderes übrig bleiben, als euch mir restlos zu unterwerfen! Eines Tages werdet ihr die Liebe zur Kunst vergessen und euch so gierig die Münzen ins Maul stopfen wie ich!
Simon Grothusen wandte sich würgend ab. Er verzog sich hastig in eine Ecke und spie wie in Tagen, da er über dem offenen Meer vom Fischgestank verfolgt war.
Von ferne hörte er Samuel sprechen.
»Siehst du«, sagte jener gleichgültig, »vielleicht bin ich doch gut genug, auf dass die Menschen erbeben, weinen und schreien, wenn sie meine Bilder sehen. Und vielleicht wird es mir eines Tages gelingen, dass Gleiches geschieht, weil ich Engel malte.«
Nach Samuel hörte Grothusen Anton Burger höhnen.
»Ist manch Gutes an diesem Samuel«, erklärte jener. »Ein Landschafter wird er nie. Aber so ehrlich, wie wir die Natur zeigen, malt er die Menschen. Ein bisschen Geduld und etwas Ausdauer noch, dann wird die Knospe endgültig platzen, und die Blüte kann sich entfalten. Ich meine es ehrlich – bei der Bewertung von Kunst hört alle Gemütlichkeit auf. Da muss man die Wahrheit ertragen können. Unser Doktor Grothusen kann sie freilich nicht ertragen! Wirst du uns etwa ohnmächtig?«
Mühsam richtete sich Grothusen auf. Niemals im Leben hatte er sich so schmerzhaft beleidigt gefühlt, zu Boden gerissen vor aller Augen, entblößt, beschämt.
»Die Wahrheit!«, zischte er, um sich zu wehren. »Was zählt die Wahrheit denn an diesem Ort! So großmütig Ihr Euch Samuel zeigt, so schnell werdet Ihr ihn beiseite wischen, wenn er nicht mehr malt, was Euch gefällt!«
Er hustete erstickt und rang nach Atem. »Von wegen ländliche Idylle! Von wegen heiteres Zitherspiel aus offenen Fenstern und luftig-leichtes Landleben! Ha! Dass ich nicht lache! Was hat denn Samuel von euch zu erwarten? Jede Kunst wird hier zerdrückt, die anders ist, als ihr es vorgebt. Weggefegt wird, wer sich nicht anpasst. Wenn einer meint, braunen Asphaltlack zu verwenden, dann müssen’s alle anderen gleichtun. Wenn einer meint, das Bild des anderen tauge nichts, so malt er gerne mal rein! Ihr seid Heuchler und Lügner! Ich hätte es geschafft, euch groß zu machen!«
Burger zuckte nur mit den Schultern. »Meine Bilder habe ich schon verkauft, noch ehe sie gemalt sind«, warf er bissig ein.
»Wer seid Ihr denn schon als ein von den Akademien Gejagter?«, zischte Grothusen. »Wie viele von euch werden von der Malerei leben können? Wie viele werden in der Gosse landen?«
»Das fehlte mir noch!«, schmetterte Burger zurück. »Das fehlte mir noch – dass ich nichts weiter bin als eines Kunsthändlers Tagelöhner, der nur danach geht, was sich verkaufen lässt und was nicht.«
»Was wisst Ihr denn von Kunstauktionen und von Katalogen?«, zischte Grothusen. »Was wisst Ihr denn darüber, wie ein Schaufenster einzurichten ist? Was wisst Ihr denn von Kalkulation und Lohn, von den Gesetzen des Ein- und Verkaufs? Die großen holländischen Meister haben schon vor vielen hundert Jahren begriffen, dass es unsereins bedarf, damit sie sich die Gedanken freihalten können.«
»Dummes Geschwätz! Als ob’s Euch um Kunst geht! An der Sklavenkette wünscht Ihr uns zu führen und Geld damit zu machen! Aber so wahr ich hier stehe – ich bin mein eigener Herr!«
Grothusen lachte bitter. »Große Künstler sind daran gescheitert, ihre Bilder selber zu verkaufen. Die Merians trieb’s auf diese Weise in den Ruin.«
»Wer in den Ruin stürzt«, bellte Burger zurück, »das seid ihr Betrüger und Gauner! Kunsthändler kann sich nennen, wer da will – doch selten verbergen sich ehrliche Absichten dahinter. Wer ist denn ein Graf Giuseppe Lucchesi in Mannheim – wenn nichts weiter als ein neapolitanischer Bandit, ein italienischer Erzschelm! Kunsthändler wie er und du, Grothusen, sind nichts als Maulwürfe, die ständig in unserer Arbeit graben und die zugleich blind dafür sind. Eure Rohheit und Berechnung verscheuchen jegliche Poesie!«
»Poesie! Ha! Wollt ihr davon leben? Ihr zieht euch des Nachts erbärmlich frierend die Decke gegenseitig fort, weil ihr kein Geld habt, eine eigene Schlafstatt zu bezahlen.«
»Lieber arm
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