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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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Standesgrenzen. Der Bankier und der Kaufmann, der Fabrikant und der Gastwirt – ein jeder mag den hart verdienten Wohlstand einsetzen, um den Künstler zu fördern. Ein Hausknecht und ein Unteroffizier kann zum vornehmen Mann werden, indem er Kulturbewusstsein zeigt, kann einen fehlenden Stammbaum ersetzen, indem er richtigen Geschmack beweist.«
    Behände umkreiste Grothusen den Mann, während Samuel sich scheu verkroch.
    »Das Bild gefällt mir nicht«, begehrte Passavant auf, doch diesmal klang es kleinlaut.
    »Ich will nicht glauben«, meinte Grothusen streng, »dass Ihr nicht zu den patriotischen Männern Frankfurts gehört, welche durch die Pflege von Kunst und Wissenschaft ihren Beitrag zum städtischen Gemeinwesen leisten. Zwei Arten der Kunst zählen heute und hier: die großen religiösen Werke der Renaissance und die zeitgenössischen im Städel. Ich verkaufe Euch beides in einer Person: Das Religiös-Archaische in seiner modernsten Form.«
    Passavant duckte sich unwillig.
    »Oder soll ich damit zu den Gogels oder Leerses gehen?«, nannte Grothusen dreist die rivalisierenden Familien.
    »Das Bild gefällt mir nicht«, kam scheu der Einwand ein letztes Mal.
    »Und von der Familie Gontard hörte ich gar«, fuhr Grothusen unbeeindruckt fort, »dass sie Legate im Wert von 100 000 Gulden an das Städel übergaben. Wer in dieser Stadt etwas auf sich hält, setzt sichtbare Zeichen, dass er von einer unbegrenzten Liebe für die Kunst beseelt ist.«
    Erneut vollzog Grothusen eine dienernde Bewegung. Hernach schwieg er. Passavant schwieg auch, runzelte die Stirn, blickte dümmlich, dann verschlagen. Er räusperte sich.
    »Also gut«, gab er nach, ohne ein weiteres Mal auf Samuels Engel zu blicken, »also gut – ich nehme das Bild und gebe zwei weitere in Auftrag.«
    Als sie nach Cronberg zurück wanderten, fand Samuel die Sprache wieder. Sie hatten die öffentliche Postkutsche zur Abendzeit nicht abwarten wollen. Nun, da sie wanderten – er und Grothusen voraus, Lena ein paar Schritte dahinter, weil sie nicht neben dem Doktor gehen wollte –, zeigte sich der Maler nicht mehr verschlossen, sondern verärgert.
    »Das soll alles gewesen sein?«, fragte er unbeherrscht. »Du versprichst deinen Käufern keine Kunst, sondern lediglich Ansehen? Du verschweigst mein Anliegen aus Furcht, es könne zu früh verstören?«
    Grothusen lächelte milde. »Verkauft ist verkauft, was zeterst du!«
    Wütend stampfte Samuel auf und errötete vor Zorn. »Das ist zu wenig!«, rief er. »Es reicht nicht! Die Menschen sollen beben und weinen und schreien ...«
    »Das sagtest du bereits«, entgegnete Grothusen kühl und ließ sich nicht aus dem Takt bringen. »Aber ich weiß mehr von den Gesetzen des Marktes als du, und vor allem weiß ich, dass die Frucht langsam reifen muss. Glaub nicht, dass man dir sofort zu Füßen fällt. Viel Zeit muss vergehen, ehe es sich lohnt, um Blut zu bitten, und ehe die Menschen ohnmächtig vor deinen Bildern zu Boden fallen.«
    Samuel schnaubte.
    »Aber das will ich nicht«, rief er, »dass mühsame Überredung und Bestechung Not tut!«
    Grothusen zuckte nervös die Schultern. Seine Lippen wurden schmal.
    »Streite nicht mit mir«, sagte er heiser. »Hab’s dir doch schon zu verstehen gegeben: Meine Worte gehören zu deinem Malen. Ich sage dir nicht, wie du den Pinsel zu führen hast. Und du erklärst nicht, wie ich verkaufen soll.«
    »Mein Bild ist nichts, was du erst groß reden müsstest!«
    »Ha!«, lachte Grothusen kalt. »Und wie groß ist dein Bild? Denkst du, die Welt hat auf einen wie dich gewartet? Nein, die Welt wartet nicht! Der Welt muss man sich aufdrängen!«
    »Ich bin keine Hure, die um den Freier wirbt! Du kannst dir dein Geplapper sparen, willst du eine aus mir machen!«
    Grothusen ließ nicht zu, dass ein Abstand zwischen ihnen entstand. Er passte sich Samuels Schritten an, auf dass jener nicht anders konnte, als neben ihm herzugehen.
    »Ich bin nicht dein Lakai«, zischte Grothusen, als sie in der Ferne Cronberg erschauten, und es war nichts Werbendes und Dienerndes mehr an ihm, »ich bin einer, den du brauchst. Vergiss nicht, dass du aus dem Zuchthaus gekrochen kamst, als ich dich zum ersten Mal sah! Wag es bloß nicht, mein Wort zu verachten und mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, um dich bekannt zu machen. Wenn du nicht gut genug bist, ein Bild so zu malen, dass die Menschen erbeben, weinen und schreien, so soll dieses nicht mein Problem sein, dir aber umso

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