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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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verlassen wollte.
    »Mein Sohn hat Recht«, erklärte der Graf, packte den jungen Mann am Kragen und zog ihn dicht zu seinem Gesicht. »Samuel ist abartig und böse. Gesetzt jedoch, Ihr seid bereit, dafür zu bezahlen, soll’s mir recht sein, wenn Ihr die Bilder studiert, die es von seiner Jugendzeit noch gibt. Ich habe sie auf dem Dachboden bewahrt.«
    Jedes seiner Wort klang grimmig und abfällig – doch konnte seine Stimme nicht verbergen, was er wusste und wogegen er sich nie hatte aussprechen wollen: dass Samuel ein begnadeter Maler war.
    Jetzt machte der Graf ein gutes Geschäft mit ihm. Da Lukas Vogt zu zahlen bereit war, legte er ihm alle alten Bilder vor – ausgenommen jenes, das den Grafen selbst zeigte, wie er den monatlichen Geldbetrag vom Linzer Domherrn erhielt. Wiewohl er immer noch nicht gewagt hatte, es zu zerstören, war es das einzige, das er nicht auf dem Dachboden hatte verstauen lassen, sondern unter seinem Bett versteckt hielt.
    Eine Woche später sprach Lukas Vogt bei Simon Grothusen vor, erklärte mit geröteten Wangen, dass er einen solchen Meister der Malerei niemals in seinem Leben erblickt habe und dass er – ganz gleich, welche niedrigen Dienste er dafür versehen müsse – an seiner Seite malen und von Samuel Alts Größe lernen wolle.
    Grothusen blickte zunächst zufrieden, später verwirrt über das Ausmaß des Lobes, zuletzt verärgert, als Lukas Vogt nicht aufhörte, die Genauigkeit zu rühmen, mit der Samuel Menschen ein für alle Mal festhielt.
    Grothusen hatte das Bild zu vergessen versucht, das Samuel in Cronberg von ihm gemalt hatte – nun war es ihm, als würde Lukas Vogt mit dem Lob für Samuels Menschenbilder erneut das Hohngelächter anstimmen, in das die Cronberger ausgebrochen waren. Während der andere noch dachte, den Kunsthändler für sich einzunehmen, indem er Samuels Größe bekundete, sprang Grothusen auf, stampfte wütend mit dem Fuß und brüllte: »Aber Samuel malt keine Menschen mehr und wird es nie wieder tun!«
    Erst als die Worte ausgesprochen waren, vermochte er sich zu fassen und zu erkennen, wie sehr er den jungen Kunststudenten damit verschreckte. Jener verstand den Ärger nicht.
    Grothusen mäßigte sich, lächelte seine Wut hinweg und zeigte sich freundlicher, doch weiter unnachgiebig.
    »Ich will Euch nicht verstören«, erklärte er, »auch wäre es ein Rechtes, wenn Ihr mit Samuel lebt und malt. Die Türen stehen weit offen für einen wie Euch. Doch es ist Gesetz, dass Samuel nichts als Engel malen will kraft des Blutes, das Menschen ihm schenken, und dass sein Name nicht mit Grauen über eine schonungslose Wahrheit verbunden werden solle, sondern mit erhabenen Gefühlen. Nur dieses Vorhaben kann unterstützt werden – wollt Ihr anderes lernen, so müsst Ihr von uns gehen.«
    Widerstrebend lauschte Lukas Vogt, um sich am nächsten Tag zu fügen und seinen Entschluss mitzuteilen, in jedem Fall bei Samuel lernen zu wollen – ungeachtet des Motivs und des künstlerischen Ziels, das sich jener gesetzt habe.
    Andere ließen sich mit Grothusens Auskunft nicht so schnell zufrieden stellen. Nachdem sich herumgesprochen hatte, dass im Palais Hagenstein gleich gesinnte Künstler ein angenehmes Leben geboten bekamen, fanden sich nicht nur Maler wie ein gewisser Markus Berger aus Wien, ein Philip Beizer aus Tschechien und ein Bartholomé Vernez aus Frankreich ein, sondern auch der Architekt Matteo Luigi aus Verona. Wo die Übrigen mit Samuel Engel malen wollten, wünschte sich jener, von Nichtbekanntem, Nichtgewagtem inspiriert zu werden.
    Groß waren seine Hoffnungen – und umso nachhaltiger die Enttäuschung, dass sie sich nicht erfüllten.
    »So wie du Engel malst«, hielt er Samuel eines Tages persönlich vor, »sind sie schon tausendfach gemalt worden. Warum bewährst du dich nicht dort, wo du der Beste bist?«
    Seltsam still und genügsam hatte sich Samuel bis dahin gezeigt, hatte sich Grothusens Plänen anheim gestellt und selbst Lenas und Andreas’ Liebe ohne Aufbegehren hingenommen. Nun schlich sich ein sachtes Zögern ein.
    »Was meinst du?«, gab er barsch zurück.
    »Würdest du nicht mehr Freude finden, wenn du tust, was du kannst – nämlich porträtieren?«, bedrängte Matteo ihn. Er sprach nicht mit der hohlen Unterwürfigkeit der anderen, sondern mit gesundem Selbstvertrauen. Als Samuel das witterte, erinnerte er sich kurz an seine Cronberger Freunde, an deren respektvolle Kommentare über seine Menschenbilder und auch daran, dass er

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