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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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zog ihre Hand zu seinem Mund und hauchte einen kraftlosen Kuss darauf.
    Hastig entzog sie sich ihm, und anders als einst in Cronberg gab er sie frei, statt sich an ihr festzusaugen. Es schien, als brauchte er sie nicht und als hätte er seine Gefühle bezwungen wie seine zitternden Hände.
    »Wie kann es sein«, fragte Lena später Andreas und erhoffte sich Hilfe von ihm, »dass Samuel nicht sieht, was Grothusen in Wahrheit treibt? Wie ist es möglich, dass er ihm vertraut, obgleich er tief in seine Seele blicken könnte?«
    Wiewohl Andreas sich ansonsten bedingungslos ihrer Stärke fügte, teilte er ihr Misstrauen nicht.
    »Aber Lena«, entgegnete er leichtfertig, »will Samuel nicht blind gegenüber allen Menschen sein, weil er sie hasst und weil er an ihrer statt Engel erschauen will? Sollten wir uns nicht glücklich schätzen, wenn ihm solches gelingt?«
    Lena aber hörte nicht auf, Grothusen aus der Ferne zu beobachten, und manchmal passierte ihr dabei, dass sie fröstelte und ihre Hände zitterten wie früher die seinen.
    Grothusen erreichte in zwei Jahren, dass um Samuel Alt eine Künstlerkolonie entstand, nicht weniger bedeutend, als man sie von Cronberg und Barbizon kannte.
    Anfangs half Andreas auf seine Art und lud Verwandte in sein Palais. Er verschreckte sie mit dem Ansinnen, dass Engel kraft Menschenblut gemalt werden sollten, aber die Verarmten unter ihnen lockte er mit einem zwanglosen Leben.
    Es blieb nicht bei Angehörigen der verästelten Familie Hagenstein. Allen, die einen exotischen Maler begaffen und sein verschwenderisches Leben teilen wollten, wurde das Tor aufgetan. Wer sich von der Erlesenheit der aufgetragenen Speisen, der sanften Musik und einem eleganten, starren Redner einnehmen ließ, gehörte zur Gesellschaft. Das Blutspenden war ein geringer Zoll.
    Als die ersten Gäste dauerhaft blieben, suchte Grothusen Akademien auf, Kunsthallen und manchmal selbst Marktplätze – die menschenreichsten Orte –, um weitere Menschen anzuwerben. Von der hohen Kunst waren hier nur wenige beeindruckt – umso mehr aber von dem Entgelt, das ein nur geringes Opfer erforderte. Zu Verwandten von Andreas, zu Kunstliebhabern und charismatischen Geistern gesellten sich später betriebslose Handwerksgesellen, verarmte Beamte und aus der Armee geschiedene Offiziere. Grothusen ließ sie ein, war an Beruf und Stellung nicht interessiert und wies – neben dem Blutspenden – jedem eine Aufgabe zu, mit der sie Samuel Alt dienen konnten.
    Erst nach vielen Monaten ging er daran, für den Verkauf der Bilder zu werben und sie solcherart zu Geld zu machen. Zu diesem Zwecke sprach er gegenüber Galeristen, die ihm aus seiner Wiener Zeit bekannt waren, selten von Schönheit, Stil und Motiv dieser Bilder, sondern öfter von der Zahl derer, die bei Samuel wohnten. Jene schmückte er als eine begeisterte Anhängerschaft aus.
    »Will’s dir gleich sagen, lieber Doktor Grothusen«, grinste ihm manch einer der einstigen Kollegen zynisch ins Gesicht, »dass du die falsche Lehre mit dem falschen Motiv verknüpfst. Wer sich bestechen lässt von einer verwunderlichen Schar, die sich in einem Palais zusammenrottet, mag sich Erfrischenderes wünschen als solche Engel, wie man sie in Kirchen sieht. Gehst du aber in die Kirchen, wird man dich zuerst nach der Natur dieses Zusammenlebens befragen.«
    Ungerührt paffte Simon Grothusen an seiner spitzen Zigarre und ließ sich nicht verschrecken. Wiewohl er kein einziges Bild zur Ausstellung gebracht hatte, zog er vergnügt von dannen, bezog aus dem vorgetragenen Widerspruch eine Idee und behielt sein Lächeln bei, als er beim nächsten vorsprach.
    Solches tat er dieses Mal mit flüsternder Stimme. »Es fällt mir schwer«, begann er, »mein Anliegen bei Euch vorzutragen. Mich würde nicht wundern, wenn Ihr mich sofort fortschickt, sobald Ihr wisst, was es mit meinem Künstler auf sich hat. Vermessen, werdet Ihr denken, sei mein Anliegen, seinen Namen groß zu machen und seine Bilder zu veräußern. Ja, vielleicht geht Ihr gar recht in der Annahme, nur ein Zugezogener aus den deutschen Landen, wie ich einer bin, könne sich erlauben, sich derart dreist zu gebärden ...«
    Grothusen stockte verschwörerisch. Seine metallische Sprache klang fremd in den dialektreichen Räumen der Salzburger Galerie. Dessen Besitzer winkte ihn neugierig näher heran. Fast lautlos wisperte Grothusen. »Es ist denn so«, erklärte er, »dass Samuel Alt ein Verpönter ist. Ein Domprobst zu Freising hat laut

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