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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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den Glotzenden löste.
    »Bist nicht der, der das Kommando gibt!«, rief er panisch und trat seinerseits auf Grothusen zu.
    Grothusen tat nichts, als ihnen beiden rauchend sein Gesicht darzubieten. Er war kalkweiß, aber er zuckte nicht zurück.
    Samuel stand immer noch ganz hinten im Saal. Schmal lächelnd war er dem Vorschlag gefolgt, ihn von den Menschen zu trennen. Jetzt kam er näher, ohne sich zur Eile zu zwingen. Er sprach so leise, dass nur die Nächsten um Grothusen ihn vernehmen konnten.
    »Lasst doch unseren armen Doktor Grothusen in Ruhe«, raunte er sanft und drängte sich zwischen Andreas und Lena. Er lächelte sie beide an – zuerst den einen, dann die andere. »Ihr wart es doch, die mich zum Engelmalen bringen wollten. Sogar das Leben in Cronberg habt ihr mir verdorben. Was zeiht ihr ihn der Anmaßung, wenn er meinem Ziele dienen will?«
    »Dies wirst du doch nicht wollen«, rief Lena hektisch, »dass er dich wie einen Gefangenen hält und mich dich nicht mehr sehen lässt! Er tut es aus Rache!«
    Samuel musterte Grothusen ruhig und anhaltend.
    »Aber er hat Recht«, entschied er nach langen Minuten, »denn die Wahrheit ist, dass ich mit euch nichts zu tun haben will. Sollt ich Engel malen, so muss ich wie sie leben – weit entfernt von der Erde, unerreichbar für die Menschenschar ...«
    Sachte, wie jener es in der Anfangszeit getan hatte, verbeugte sich Samuel vor dem Doktor, um ihm das Feld zu überlassen.
    »Nein, Samuel, nein!«, stöhnte Andreas. »Wie kannst du’s ihm erlauben, dass er dich mir wegnimmt!«
    Samuel drehte sich nicht nach ihm um.
    »Du hast mich gelehrt, dass ich dich meiden soll«, erklärte er im Fortgehen. »Du wolltest, dass ich mit einer sittenlosen Kreatur, wie du es bist, nichts zu tun habe, dass ich Menschen hasse und Engel liebe.«
    »Aber doch nicht auf diese Weise!«, heulte Andreas. »Ich will dich doch sehen können! Ich will an deiner Seite leben!«
    »Das ist dein Pech«, erwiderte Samuel kalt. »Was du willst, geht mich nichts an. Ob du mich liebst, ist mir egal. Sieh einzig zu, dass ich deine dreckige Fratze nicht länger schauen muss! Wer Bilder malt, kann gerne zu ausgewählter Stunde zu mir kommen und sich beraten lassen, und meinetwegen mag ich auch Grothusen dulden, auf dass er mir von der Wirkung der Bilder berichten kann – doch vom übrigen Pack soll mir keiner vor Augen treten! Es muss genügen, mir Blut zum Malen zu schenken!«
    Er entschwand lautlos und kehrte nicht wieder. Ihm nachblickend ließ Grothusen die Zigarre fallen, zertrat sie und zuckte die Schultern ob Andreas’ verzweifeltem Flennen. Er musterte die bleiche Lena, vergaß, sich an seinem Sieg zu erfreuen, und verließ den Raum so leise wie Samuel.

»Mag sein«, versuche ich Lena zu beruhigen. »Mag sein, dass manche Bilder erschrecken, anstatt zu erfreuen. Aber Ihr solltet nicht zu viel Furcht mit dem letzten Werk von Samuel Alt verbinden. Bedenkt, Lena, bedenkt – Eure Augen sind gänzlich ungeschult. Ihr mögt Samuel inniglich lieben, von Kunst hingegen scheint Ihr nicht viel zu verstehen. Ein Bild, so es denn ein schreckliches sei, trifft Euch vielleicht viel entschiedener als einen Fachkundigen wie mich! Ich kann es von dem Augenblick lösen, da es entstand. Ich kann es befreien von all dem, was rund um das Entstehen dieses Bildes geschah. Begreift Ihr? Das ist meine Aufgabe! Unparteiisch zu sein! Nicht voreingenommen von dem, was Euch belastet!«
    Ich rede auf sie ein. In dem stickigen Raum gehen die Stunden nicht aufrecht vorüber, sondern sie stehlen sich schleichend davon. Und immer wieder sieht Lena auf, spricht davon, wie schrecklich Samuels letztes Bild sei, vor allem aber von Grothusen, wie er heute lebt, was er von ihr denken mag und was ich ihr von ihm zu sagen habe.
    Ich weiche ihr aus, weil da nichts ist, was ich vorweisen könnte, und bin – als der Abend naht – zermürbt. Es scheint mir unmöglich weiterzukommen! Und indessen sie zu warten gewöhnt ist – sie tut nichts anderes die letzten fahre und nimmt hin, dass da nichts ist, worauf dieses Warten zusteuert – , drängt mich die Ungeduld der Jugend und ein wenig auch der ängstliche Verdacht, dass Samuel Alts letztes Bild im Gutshof Altenbach womöglich gar nicht zu finden sei.
    »Ich weiß nicht, ob es gutzumachen ist«, erklärt sie währenddessen. »Ich weiß nicht, ob es richtig ist, auf sein Verzeihen zu warten.«
    »Aber Lena, ganz gleich, wie es zu dem Bilde kam; ganz gleich, welche Umstände sich

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