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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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tauchte ein zweiter Mann auf, blieb stehen und hob die Pistole. Zwei Löcher erblühten auf ihrer Scheibe, ein Netz von tausend Rissen.
    Sie hörte sich selbst schreien.
    Ihr Fuß senkte sich auf das Gaspedal, der Motor heulte auf. Ein schwerer Ruck ging durch den Wagen, als sie den Schützen rammte. Er wurde hochgeschleudert, krachte auf die Motorhaube und stürzte seitlich aus ihrem Blickfeld.
    Eve prallte mit der Front gegen die Wand und schrammte ein paar Meter die Betonrampe entlang, bevor sie zurückfand in die Spur. Dann schoss sie durch die Garagenunterführung auf die Straße.
    Sie konnte nicht erkennen, ob ihr in der Lobby jemand auflauerte oder nicht. Sie starrte nach vorn, durch die halbblinde Scheibe, beschleunigte und überquerte die Kreuzung, während die Ampel auf Rot schaltete.
    Minuten später fuhr sie auf den Freeway.
    Die Rampe im Rückspiegel blieb leer.

    Kälte breitete sich in Alans Magen aus, als er die Blutlache im Eingangsbereich zum 717 entdeckte.
    In der Lobby hing gespenstische Stille. Alan suchte nach einer mentalen Signatur, nach einer Aura, die ihm verriet, ob sich jemand vom Blut in der Nähe aufhielt. Er erfasste einen Herzschlag, einen Hauch von Entsetzen. Doch das kam von einem Menschen, nicht von seinesgleichen. Als er sich im Raum umblickte, entdeckte er die Leiche eines Mannes, der Uniform nach einer der Angestellten vom Parkservice.
    Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Ein Rascheln, ein schwacher Laut. Er umrundete den Empfangstresen und fand eine Frau, die blonden Haare voller Blut. Alan ging neben ihr in die Knie. „Was ist passiert?“
    „Die Cops ...“ Ihre Augen konnten den Fokus nicht halten.
    „Hat es mit Eve Hess zu tun?“ Das war die einzige Frage, die in seinem Kopf kreiste. Die Pupillen der Frau weiteten sich.
    „Eve Hess?“, wiederholte er.
    Sie nickte. „Die Cops waren keine Cops.“
    „Welches Apartment?“
    „1701 ...“ Ihre Stimme verlor sich im Nichts.
    Alan sprang auf. Er nahm den Schlüsselbund an sich, der neben der Tastatur auf dem Schreibtisch lag, und stürzte zu den Aufzügen.
    Die Tür am Ende des Korridors im siebzehnten Stock war halb aus den Angeln gerissen.
    Es roch nach Kordit und verbranntem Eisen.
    Das Apartment selbst bot ein Bild der Verwüstung. Alans Kopf begann zu schwimmen. Schubladen waren aus den Schränken gezogen, die Polster der Sessel aufgeschlitzt. Jemand hatte etwas gesucht und sich nicht die Zeit genommen, die Spuren zu verwischen.
    Schließlich zog er sich aus dem Apartment zurück und betrat die Nachbarwohnung, deren Tür weit offen stand. Ein Windstoß trug ihm kalte Nachtluft entgegen, vermischt mit dem Geruch von Blut. Ein Schauer überlief seinen Körper, seine Hand glitt zum Dolch. Im Halbdunkel bahnte er sich seinen Weg durch Scherben und zerbrochenes Mobiliar.
    Unter einem umgestürzten Tisch im Wohnzimmer entdeckte er einen Körper. Alan wuchtete das Hindernis beiseite und schaltete das Licht an. Ein Mann lag verkrümmt auf der Seite, ein Latino mit schwarzen Locken und einer zersplitterten Brille. Das Gesicht des Mannes war bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen, sein T-Shirt blutbespritzt. Doch er lebte noch. Seine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen. „Wer ist da?“, flüsterte er.
    Alans Blick streifte seine blutverkrusteten Lider. „Mein Name ist Alan.“
    „Polizei?“ Jedes Wort bereitete dem Mann Qualen.
    „Nein.“ Alan hockte sich neben ihn auf den Boden. „Wer hat das getan?“
    „Keine Ahnung.“ Der Latino hustete. Ein Zittern überlief seine Glieder.
    „Waren die hinter Eve her?“
    „Sind Sie Alan?“, fragte der Mann, ohne die Frage zu beantworten. „Alan, der Maler?“
    „Ja.“ Er erspürte die Schichten in der Stimme des anderen. Entsetzen, Sorge, Zärtlichkeit. „Sie kennen Eve? Sie sind Freunde, nicht wahr?“
    „Helfen Sie ihr?“
    „Ich würde alles für sie tun.“ Er hatte nicht über seine Antwort nachgedacht, doch nun, da er es ausgesprochen hatte, wusste er, dass es die Wahrheit war.
    „Sie behauptet, jemand will sie umbringen.“ Die letzten Worte waren nur mehr ein Flüstern. „Ich dachte, sie übertreibt. Die kamen zu viert.“
    „Wo kann ich sie finden?“
    Die Lippen des Mannes zuckten. „Schwören Sie, dass Sie ihr helfen?“
    „Deshalb bin ich hier.“
    „Schwören Sie“, beharrte der Mann.

19
    E ve hörte Stimmen.
    Sie driftete durch einen unruhigen Halbschlaf, dicht am Erwachen. Jemand schrie, eine Frau oder ein Kind. Dann schrak sie auf und

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