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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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lösen vermochte. Sie berührte Metall, das Balkongeländer. Wie eine Ertrinkende umklammerte sie die Brüstung, zog ein Bein nach, rutschte. Für einen Moment balancierte sie auf dem Handlauf, dann sprang sie hinunter aufs Pflaster. Ihr Fuß knickte um, sie stürzte auf ein Knie.
    So verharrte sie, schwer atmend, und wischte sich über die Wange. Sekundenlang starrte sie auf das Blut auf ihrem Handrücken. Nur ein Kratzer, flog es durch ihren Geist. Ein Steinchen, das sie getroffen hatte.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit raffte sie sich auf und klopfte an die Scheibe. Das Wohnzimmer auf der anderen Seite lag in gedämpftem Licht. Eve erspähte eine junge Koreanerin in einem Sessel, die ein Buch las. Sie ballte ihre Hand zur Faust und hämmerte fest gegen das Glas.
    „Machen Sie auf!“ Ihre eigene Stimme klang schrill in ihren Ohren. „Bitte machen Sie auf.“
    Ihr Hämmern hinterließ rötliche Schlieren. Die Frau auf der anderen Seite schrak hoch. Sie zögerte, während Eve nicht aufhörte, gegen die Scheibe zu schlagen. Als sie endlich aufstand, spiegelte ihr Gesicht eine Reihe von Emotionen. Irritation, Angst, Fassungslosigkeit. Schließlich siegte die Neugier, vielleicht weil sie Eve kannte. Sie trafen sich gelegentlich im Aufzug, auch wenn sie nie mehr als ein paar höfliche Worte wechselten.
    Die Tür öffnete sich einen winzigen Spalt. Eve legte beide Hände dagegen und drückte sie nach innen.
    „Danke!“, presste sie hervor.
    „Sie!“ Die Augen der Frau verengten sich zu einem misstrauischen Blick. „Was tun Sie hier?“
    „Das ist eine lange Geschichte.“
    „Sie bluten ja.“ Die Koreanerin legte den Kopf schräg. „Sind Sie etwa geklettert?“
    Eve drängte sich an ihr vorbei in die Diele. „Ich erkläre es Ihnen später“, rief sie der Frau zu, dann floh sie hinaus auf den Korridor. Mit einem satten Klang fiel die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss.
    Durch die benachbarte Tür schlüpfte sie ins Treppenhaus. Sie rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend. Die Stahlbleche hallten unter ihren Schritten. Ihr Knöchel schmerzte, in ihren Adern pulsierte Entsetzen. Die Typen, die sich als Polizisten ausgaben, würden sich kaum damit abfinden, dass sie verschwunden war. Sie würden das Haus nach ihr absuchen, würden jemanden im Foyer postieren, um ihr den Weg abzuschneiden.
    Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als sie an Felipe dachte. Sie stoppte mitten im Lauf und wühlte das Handy aus ihrer Tasche. Mit zitternden Fingern wählte sie 911.
    „717 West Olympic Boulevard“, sagte sie auf die Frage nach ihrer Adresse. „Hier sind vier Killer. Sie haben Schusswaffen. Sie schießen auf uns.“
    „Wie ist ihr Name?“, fragte der Mann.
    „Eve.“
    Eine Tür fiel ins Schloss, irgendwo unter ihr. Schritte dröhnten auf den Blechstufen. Das war kein Bewohner, ganz sicher nicht. Niemand in diesem Haus benutzte die Treppen.
    „Eve Hess.“ Ihre Stimme sank herab zu einem Flüstern. „Schicken Sie jemanden. Schnell.“
    Sie versuchte, kein Geräusch zu machen, als sie wieder hoch schlich zum nächsten Ausgang. Gott sei Dank, sie hatte bereits die Garagenebenen erreicht. Lautlos zog sie die Tür auf und schob sich hinaus.
    Wieder fiel sie in Trab, die Rampen hinunter. Sie legte das Telefon erneut ans Ohr, doch der Ton signalisierte, dass der Mann von der Notrufzentrale aufgelegt hatte. Eve hoffte, dass er sie nicht für eine Verrückte hielt, sondern wenigstens eine Streife schickte, die nach dem Rechten sah.
    Atemlos erreichte sie den dritten Stock der Garage und hastete zu ihrem Wagen. Erleichterung durchflutete sie, als ihr bewusst wurde, dass sie es geschafft hatte.
    Im Laufen drückte sie die Wahlwiederholung für Marks Nummer und ließ es klingeln. Etwas zupfte an ihrem Ellbogen, ein leichtes Brennen. Und dann sah sie den Krater, den die Kugel vor ihr in den Betonpfeiler geschlagen hatte.
    Oh Gott.
    Im Augenwinkel erfasste sie eine Gestalt, doch nahm sich nicht die Zeit, sich umzusehen. Die letzten Meter zu ihrem Auto rannte sie gebückt, um dem Schützen ein kleineres Ziel zu bieten. Sie entriegelte den Lexus von weitem, riss die Tür auf und hechtete hinein. Ihr eigener Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Hektisch rammte sie den Schlüssel ins Schloss, startete den Motor und setzte mit einem Ruck aus der Parklücke. In ihrem Rücken splitterte Glas. Das Heck des Wagens schleuderte herum, streifte einen Pfeiler. Blech knirschte. Eve schob die Automatik auf D und gab Gas.
    Ein Stück vor ihr

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