Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
Moment zu früh. Er sah Kains Gestalt, das leuchtend weiße Haar und ahnte die Bewegung mehr, als dass er sie sah. Der Arm mit der Waffe, ein kurzes Innehalten, bevor der erste Schuss krachte.
    Alan warf sich zur Seite. Er rollte weiter, mehr Schüsse fielen, er stieß mit der Schulter gegen einen Widerstand. Kleine Eruptionen aus Splittern und Staub spritzten um ihn auf. Schwer atmend richtete er sich auf. Kain war nur noch ein paar Meter entfernt.
    Alan wusste, dass er sterben würde, wenn er nicht schnell genug war. Wenn er den anderen nicht um seinen Vorteil brachte. Und so ignorierte er die Pistole und tat etwas Unerwartetes. Er griff ihn an.
    Mit zwei Sätzen überbrückte er die Distanz und befreite zugleich den Dolch aus der Scheide. Er sprang und umklammerte Kain um die Körpermitte, riss ihn von den Füßen. Ein Schuss ging ins Leere.
    Überraschung weitete Kains Augen, dann verdunkelte sich sein Blick.
    Ineinander verkrallt rollten sie über den Boden. Alan zog den Dolch hoch und stieß nach Kains Kehle. Der weißhaarige Killer lenkte den Streich ab, brach aber nicht gänzlich die Wucht. Die Klinge riss ihm die Wange auf. Alan roch das Blut und erschrak auf einer tieferen Ebene seines Bewusstseins, wie sehr es ihn erregte. Einen Herzschlag später zertrümmerte ihm Kains Faust die Nase und machte ihn für einen Moment benommen. Er spürte, wie sich Kains Knie in seinen Unterleib bohrten. Dann schossen die Füße des Killers hoch und schleuderten ihn zurück. Er landete auf der Seite und rang nach Luft.
    Mit einer Hand wischte er sich das Blut aus den Augen, die andere hielt noch immer den Dolch umklammert. Wie durch einen Schleier registrierte er, dass Kain sich nach der Pistole bückte und dann wieder aufrichtete.
    Alan erkannte, dass er die Distanz nicht mehr überbrücken konnte. Nicht rechtzeitig, um den Schuss zu verhindern. Für einen Augenblick wog er den Dolch in der Hand, dann schleuderte er die Waffe.
    Er hatte Glück.
    Funkelnd schnitt die Klinge durch die Luft und grub sich Kain in die Kehle. Der Killer erstarrte mitten in der Bewegung, stolperte zurück. Seine Hand zuckte hoch zur Wunde, doch Alan war bereits bei ihm und landete einen wuchtigen Schlag gegen Kains Solarplexus.
    Kain klappte vornüber und Alan rammte ihm die Faust gegen die Kehle, trieb ihm die Klinge tiefer ins Fleisch. Der Killer stürzte. Seine Lippen teilten sich zu einem gurgelnden Geräusch. Mit der Fußspitze stieß Alan ihm die Pistole aus der Hand. Dann trat er auf ihn ein, wieder und wieder, gegen die Nieren, den Kopf, bis die Pupillen den Fokus verloren. Schließlich ließ er sich auf ihm nieder und klemmte Kains Arme mit den Knien ein. Mit einem Ruck zog er den Dolch aus der Wunde. Blut pumpte aus dem Schnitt. Kain wand sich unter ihm, doch Alan beachtete es kaum. Er holte zu einem zweiten Hieb aus, um es zu Ende zu bringen.
    Ein Funkeln in der Halsgrube lenkte ihn ab, dämpfte den Blutrausch und ließ ihn zögern. Er senkte die Waffe und griff nach dem glänzenden Ding, das an einer Kette um Kains Hals lag. Ein Ring.
    Alan starrte hinab auf den Wasseropal in seiner altertümlichen Fassung. Das Blut verbarg nicht, was es war.
    Icoupovs Ring. Der Ring, den Eve dem Russen abgenommen hatte, zusammen mit seinem iPhone. Und nun trug Kain ihn um den Hals, wie eine blutverschmierte Trophäe. Das Bild raubte Alan fast den Verstand.
    „Eve!“, brüllte er. Er packte den Killer an den Haaren und riss ihn hoch, bis der schwache Atem ihm gegen die Wange schlug. „Was hast du mit ihr gemacht?“
    Kain öffnete die Augen einen Spalt. Ein Röcheln ging ihm über die Lippen.
    „Was hast du getan?“
    Er realisierte nicht, dass Kain ihm nicht antworten konnte. Wut und Verzweiflung verschmolzen miteinander, bis sich eines vom anderen nicht mehr unterscheiden ließ. Alan spürte kaum den Schmerz in seinen Fäusten, während er immer wieder auf Kain einschlug, bis Haut aufriss, Knochen brachen und Blut von seinen Knöchel troff. Sein eigenes Blut mischte sich mit dem des anderen.
    „Eve!“, schrie er. Die Nacht verschlang das Echo seiner Stimme. „Was hast du mit ihr gemacht?“
    Erst das Aufheulen einer Polizeisirene, so dicht hinter ihm, dass es ihm in den Ohren schrillte, durchbrach seine Raserei.

    Eve blieb vor den Glastüren des 717 stehen und schlang die Arme um ihren Körper. Sie fröstelte. Einen Moment blickte sie Marks Wagen nach, bis die Rücklichter sich hinter einer Kreuzung verloren. Dann setzte sie sich in

Weitere Kostenlose Bücher