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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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die Dunkelheit einzustellen. Langsam schälten sich Umrisse aus dem Hintergrund, Mülltonnen und Container, eine Reihe von Autos, die vor einem langgestreckten Lagerhaus parkten. In den umliegenden Fassaden waren einzelne Fenster erleuchtet.
    Wieder überlegte er, was Eve mit diesem Schattenläufer verband. Nicht, dass es eine Rolle spielte, denn er hatte nicht die Absicht, seinen Halbbruder länger am Leben zu lassen als nötig. Er brauchte ihn nur, damit er ihn zu Mordechai führte.
    Der Gedanke wurde unterbrochen, weil neue, fremdartige Präsenzen seinen Geist berührten. Rasch schirmte er sich ab. Hier lebten noch andere vom Blut. Kain wollte ihre Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen. Schnell verwarf er seinen Plan, den Schattenläufer gleich hier auf dem Gelände zu überwältigen. Die anderen würden die Erschütterung spüren und sich möglicherweise einmischen. Er drang tiefer in den Hof vor, fand den Dodge aber nicht.
    Nach weiteren zwanzig Metern stieß er auf eine Mauer. Das Gelände war groß, der Mann konnte sonst wo geparkt haben. Kain musste nur sicherstellen, dass er sein Opfer später nicht verlor. Er kehrte zum gestohlenen Camry zurück und fuhr ihn mit ausgeschalteten Scheinwerfern auf den Hof. Dort parkte er ein paar Meter von der Ausfahrt entfernt, zwischen anderen Wagen, mit denen er zu einer homogenen schwarzen Masse verschmolz.

    „René ist nicht das einzige Opfer“, sagte Pascal.
    Er hielt Alans Projektil zwischen Daumen und Zeigefinger ins Licht. Sie standen in seiner Werkstatt. Alan lehnte an einer Holzbank und wartete darauf, dass Pascal fortfuhr. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete der Schmied das deformierte Stück Metall.
    „In den letzten vier Tagen wurden fünf vom Blut getötet.“ Er ließ den Arm sinken und blickte Alan an. „Jemand da draußen erschlägt unsere Spezies.“
    „Wer noch?“, fragte Alan. „Wer ist unter den Toten?“
    „Außer René?“ Pascal holte geräuschvoll Atem. Kalte Luft strömte durch das offene Fenster und kühlte Alans Gesicht. „Drei gehörten zu Mordechais Pack. Damit dürfte wohl klar sein, dass der Killer weder für die Garde arbeitet, noch für deinen Vater. Interessant, findest du nicht?“
    Alan dachte an Kain und den Blick des Killers, die kristallstarren Augen, so unnatürlich hell. Und er dachte an das Blut, das Kain über Kinn und Zähne troff und die engelsgleiche Maske Lügen strafte. Plötzlich fiel ihm auf, dass die Präsenz vollständig verschwunden war.
    „Alle Opfer wurden mit der gleichen Waffe niedergeschossen. Kaliber 50 Action Express.“ Pascal legte das Projektil auf die Werkbank neben sich. „Weißt du, was ich denke? Er überrascht sie, setzt sie mit ein paar Kugeln außer Gefecht. Das große Kaliber ist ein Mannstopper. Es gibt ihm Zeit, sich ihnen zu nähern, und während sie noch versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, ist er schon bei ihnen und schneidet ihnen die Kehle durch. Oder was auch immer. Ein cleverer Killer.“ Er seufzte. „Ich rufe meinen Freund beim LAPD an. Vielleicht kann ich dir bis morgen sagen, ob deine Kugel aus der gleichen Waffe stammt.“
    „Danke.“ Alan griff nach seiner Jacke.
    „Wo hast du sie eigentlich her?“
    „Aus meiner rechten Schulter.“
    Pascal runzelte die Stirn.
    „Ich weiß nicht, wer der Kerl ist“, kam Alan seiner Frage zuvor. „Aber er hätte mich beinahe getötet. Er ist stark.“
    Für einen Sekundenbruchteil hielt er inne, weil er nun doch etwas spürte. Ein Impuls schlug aus, wie ein Schatten im Augenwinkel. Ein Nachhall schwappte gegen seinen Geist. Er konzentrierte sich, suchte danach. Vergeblich, die Nacht blieb still. Da war nichts. Nur Pascals schwere Aura, die sich warm und vertraut anfühlte. Irritiert schüttelte er den Kopf.
    „Was ist?“, fragte Pascal.
    „Nichts“, murmelte Alan. „Ich habe mir was eingebildet.“

    Kain lauschte den Tönen, die sich aneinanderreihten wie funkelnde Perlen auf einer Schnur. Eine Klaviersonate, Frederic Chopin, so rauschend und schwerelos. Ihm kam ein Bild in den Sinn, ein Spinnennetz voller Tautropfen. Das Radio des alten Camry knisterte und knackte und perforierte die Harmonien.
    Kain starrte hinaus in die Dunkelheit. Mit dem Daumen strich er über das glatte Metall der Desert Eagle. Der Geruch von Waffenöl stieg ihm in die Nase. Die Töne verdichteten sich zu einem Crescendo und zerstoben im Wind. Tautropfen.
    Und dann sah er die Bewegung im Schatten.

    Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen versuchte

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