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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Alan erneut, Eve anzurufen. Als die Mailbox ansprang, legte er nicht sofort auf, sondern lauschte ihrer Ansage bis zum Ende. Ihre Stimme riss Sehnsucht in ihm auf und steigerte sein Bedürfnis, sie zu sehen, zu einem nagenden Hunger. Er schob das Telefon zurück in seine Jackentasche und tastete nach dem Dolch am Rücken. So wie er es tausend Mal getan hatte. Früher, bevor die Schuld so erdrückend geworden war, dass die bloße Berührung der Waffe Übelkeit in ihm auslöste.
    Ein Reflex war es, wiedererwacht in dem Moment, als er die Klinge in der Hand gewogen und sich erinnert hatte, wie gut sie ausbalanciert war. Fünfzehn Jahre.
    Nun da seine Finger über den Griff strichen, war er noch immer unsicher, ob er den Krieger in seiner Seele willkommen heißen oder verfluchen sollte, weil er so mühelos aus seiner Verbannung zurückfand.
    Der Wind frischte auf. Die Stille um ihn war so dicht, dass selbst das Rauschen vom Freeway gedämpft klang, wie durch schweren Nebel. Er schloss den Dodge auf und stieg ein. Eine Zeitlang saß er dort und blickte hinaus ins Dunkel. Dann startete er den Motor, schaltete die Scheinwerfer ein und rollte aus der Lücke zwischen zwei Schuttcontainern.

    Kain ließ den Dodge passieren, bevor er die Zündkabel aufeinander legte. Die Chopin-Sonate knisterte und setzte für einen Moment aus, als der Motor ansprang.
    Mit einigem Abstand bog er hinter dem Wagen aus der Einfahrt. Die Straße lag verlassen im gelblichen Schein der Laternen. Kain beschleunigte und ließ die Beifahrerscheibe herunter. Die Distanz zum Dodge schmolz. Auf der Nachbarspur trat er das Gaspedal bis zum Boden durch, der Motor heulte auf und übertönte Chopins Harmonien.

    Alan bemerkte den Camry erst, als der Wagen sich neben ihn schob. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht, so dass er sich fragte, wieso er ihn im Rückspiegel nicht registriert hatte.
    Einen Herzschlag später explodierte das Glas seiner Seitenscheibe und ein Regen feiner Splitter ging auf ihn nieder. Ein heftiger Schlag gegen die Schulter löste seinen Griff um das Lenkrad. Eine Kugel hatte ihn getroffen.
    Instinktiv gab er Gas, während er darum kämpfte, nicht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Er konnte den Camry nicht abhängen, die Automatik beschleunigte viel zu träge. Alan erhaschte einen Blick auf den Fahrer des fremden Wagens und prallte im gleichen Augenblick in die Aura des Mannes.
    Kain.
    Mehr Schüsse krachten, er warf sich zur Seite. Der Zusammenstoß in der letzten Nacht war nur ein Vorgeschmack gewesen.
    Das Gesicht gegen die Polster des Beifahrersitzes gepresst, spürte er, wie der Dodge zu schlingern begann. Hastig tastete er nach der Pistole im Fußraum. Kugeln zerfetzten die Instrumentenkonsole, bohrten sich in die Türverkleidung auf der anderen Seite. Eine streifte ihn am Hals wie ein brennender Peitschenhieb.
    Seine Finger fanden endlich die Glock und schlossen sich um den Griff. Sekunden später erschütterte ein heftiger Ruck den Wagen und schleuderte Alan zur Seite. Kain rammte ihn. Der Dodge drehte sich. Alan suchte wieder nach der Waffe, die er beim Aufprall verloren hatte. Der verdammte Gurt klemmte ihn ein, sein linker Arm fühlte sich taub an, Blut tränkte seinen Ärmel, tropfte ihm von den Fingern. Blech knirschte unter einem zweiten Aufprall.
    Seine Welt kippte. Etwas traf ihn im Nacken.
    Der Wagen verlor die Bodenhaftung und überschlug sich.

    Ein paar Meter vor der Stelle, an der der Dodge liegengeblieben war, hielt Kain an.
    Er stieg aus und rammte einen neuen Ladestreifen in den Griff seiner Pistole. Mit weit ausgreifenden Schritten näherte er sich dem Wagen. Er wollte dem anderen keine Zeit geben, sich zu erholen. Dennoch blieb er wachsam. Er wusste nicht, ob sein Halbbruder bewaffnet war. In seinen Ohren, seinen Gliedern sang das Blut. Die Kraft floss durch seine Adern, die Zuversicht.
    Ein Schlüssel.
    Er musste nur die Hand ausstrecken. Musste nur danach greifen, ihn sich gefügig machen.

    Stöhnend vor Schmerz streckte Alan seinen verletzten Arm aus. Seine Fingerspitzen, taub und glitschig vom Blut, drückten das Gurtschloss auf. Er wälzte sich herum und trat nach oben gegen die Beifahrertür, um sich zu befreien.
    Der Dodge lag auf der Seite, die Scheiben zersplittert. Alan spürte Kains Nähe. Ihm blieben nur mehr Sekunden. Keine Zeit, nach der Pistole zu suchen.
    Die Tür löste sich mit dem zweiten Tritt. Schwerfällig kam er hoch und zog sich durch die Öffnung ins Freie.
    Nicht einen

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