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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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jedoch bleiben wollte, es zu Ende bringen, musste er die Streife ausschalten. Jetzt, wo der rote Schleier um seinen Verstand sich löste, wurde ihm die ganze Tragweite dieser Wahl bewusst. Ihm widerstrebte es, die beiden Männer zu töten. Es war diese hauchfeine Linie, die ihn von einem Wesen wie Kain unterschied. Wenn er sie überschritt, stand nichts mehr zwischen ihnen. Dann würde er sein wie dieser Killer, und das ertrug er nicht.
    „Waffe runter“, brüllte der Cop. „Sofort!“
    Vier Schritte, vielleicht drei. Der Geruch von Kains Blut benebelte ihn. Er schätzte die Entfernung für einen Sprung ab. Einen Herzschlag später tauchten zwei weitere Streifenwagen aus der Unterführung auf. Einer der Officers musste Verstärkung gerufen haben. Alan wusste, dass er diese Übermacht niemals aus dem Weg räumen konnte. Nicht, ohne jemanden zu töten. Bedauernd traf er seine Wahl.
    Er bückte sich, den Dolch abwärts gerichtet, und rammte ihn Kain erneut in die Kehle. Die Klinge stieß durch Muskeln und Sehnen, verbreiterte die Wunde. Der erste der beiden Polizisten feuerte seine Waffe ab. Kugeln schlugen in den Asphalt, verfehlten jedoch ihr Ziel. Ein Polizeiwagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Mehr Schüsse krachten. Wagentüren flogen auf, farbiges Licht fleckte die Straße.
    Ein Projektil traf Alan in die Seite und brachte ihn ins Taumeln. Er schaffte es, den Dolch nicht fallen zu lassen und hoffte, dass der Schnitt tief genug war, um Kain verbluten zu lassen, bevor er das Bewusstsein wiedererlangte.
    Dann explodierte Schmerz in seinem Körper, als eine andere Kugel ihm Knochen und Muskeln durchschlug. Sein rechtes Bein knickte unter ihm weg, halb stürzte er auf ein Knie. Der dritte Wagen hielt schleudernd am Straßenrand. Alan zwang sich hoch und begann zu laufen. Er war langsam. Er zog das verletzte Bein nach. Doch er erreichte dieBöschung, ohne von weiteren Kugeln getroffen zu werden. Alan warf sich hinter das Wrack des Dodge und rutschte über sandigen Grund. Der Boden brach unter ihm ab, er stürzte. Hinter ihm verhallten die Rufe der Cops im Dunkel.

    Mordechai strich mit einer Hand über die Rosenknospen. Nachtwind raschelte im Laub. Das Ende seiner Einsamkeit war nahe. So nahe, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Es rief die Erinnerung an Empfindungen wach, die er seit vielen hundert Jahren nicht mehr verspürt hatte. So lange hatte er gesucht. Äonen.
    „Asâêl“, flüsterte er.
    Im Klang des Namens schwang all die Süße, die über die Jahrtausende aus Mordechais Leben gewichen war. Nichts war geblieben. Nichts als Kälte, Bitterkeit und flüchtige Leidenschaften. Nur sein Glaube hatte ihn vor dem Wahnsinn gerettet. Sein Glaube, dass es etwas Höheres geben musste, einen Grund für seine Existenz. Danach sehnte er sich. Verzehrte sich nach einem Zeichen, einem Funken Göttlichkeit. Und bekam nun so viel mehr.
    Einen Gefährten. Einen Mentor. Wie dankbar würde Asâêl sein, wenn seine Ketten zerfielen und Sonnenstrahlen seine Lider küssten.
    So dankbar.
    Mordechai verspürte Unwillen, als er Naveens leise Schritte hörte. Er drehte sich um und las in den Augen des Inders, dass etwas vorgefallen war.
    „Es tut mir leid.“ Naveen senkte den Kopf. Aus seiner Haltung sprach Unbehagen. „Ich wollte Sie nicht stören, aber ich fürchte, es ist wichtig.“
    „Unser marodierender russischer Freund?“
    „Nicht ganz.“ Die Augen des Inders flackerten unstet. „Der Broker hat angerufen. Es geht um die Frau.“
    Eine Welle von Erregung stieg in Mordechai auf. „Hat er den Ring?“
    „Nein.“ Naveen zögerte. Die Worte gingen ihm sichtlich schwer über die Lippen. „Kain hat den Auftrag zurückgegeben. Der Broker übermittelt sein Bedauern. Er hat die Anzahlung zurücktransferiert.“
    Mordechai starrte ihn an. Zuerst verstand er nicht, was Naveen da sagte. Er witterte die Angst des Sekretärs, spürte seinen flatternden Puls. Die Worte sickerten in seinen Geist, doch er verstand sie nicht. Wie war es möglich, dass sein Sohn erneut versagte? Dass er seine Erwartungen enttäuschte, wo Mordechai beinahe stolz auf ihn gewesen war?
    Wie konnte es sein, dass seine Brut so missraten war? Wieder und wieder brüskierten sie ihn. Der eine, der seine Herkunft verleugnete, und alles, was er war. Und der andere, der sich Mordechais Willen entzog. Dabei verlangte er nicht viel. Nicht mehr, als jeder Vater von seinen Söhnen erwarten sollte.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf Naveen, der

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