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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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mich an wie ein Gespenst«, sagte der Mann, der nicht hier sein durfte – nicht hier sein konnte. »Ich bin es wirklich.«
    Ungläubig musterte Enrico den anderen, den er zum ersten Mal in einem dunklen Anzug sah. Der Anzug eines Priesters zwar, aber nicht das weiße Papstgewand, in dem Custos sich gewöhnlich zeigte und das er getragen hatte, als Enrico ihm im Vatikan begegnet war. Custos wirkte mitgenommen, hatte eingefallene Wangen und war grau im Gesicht. Aber er lebte, und es waren keine Verletzungen zu erkennen.
    »Das verstehe ich nicht«, murmelte Enrico. »Ich habe doch gesehen, wie Sie erschossen wurden!«
    »Viele starben bei diesem schrecklichen Gemetzel, ich aber wurde nur leicht verletzt«, erklärte Custos. »Ich dachte, der Herr habe seine schützende Hand über mich gehalten, doch das war nur die halbe Wahrheit. Die Soldaten hatten den Auftrag, mich zu schonen und hierher zu bringen. Nur die Öffentlichkeit sollte glauben, dass ich tot bin.«
    Enrico erinnerte sich an die Rauchgranate und an die Attentäter, die zu Custos und seinen Begleitern liefen. Es war das letzte Bild, das vor seiner Ohnmacht durch das Betäubungsgas in ihm haften geblieben war. Jetzt erst verstand er den Sinn: Es war kein Mordanschlag gewesen, sondern eine Entführung. Die Entführer hatten die Prozession eingenebelt, um ihre wahre Absicht zu verdecken. Und sie waren nicht davor zurückgeschreckt, viele Unschuldige aus der Begleitung des Papstes zu töten. Aber diese Einsichten befriedigten Enrico kaum, im Gegenteil, sie warfen einen ganzen Wust an neuen Fragen auf.
    »Wo sind wir hier?«, lautete die erste, und gleich darauf die nächste: »Wer hat Sie und uns hierher gebracht?«
    »Hergebracht wurden wir von Totus Tuus, von Lavagninos Helfern«, antwortete der Engelspapst. »Sie haben nichts davon mitbekommen, weil man Ihnen eine Betäubungsspritze gegeben hat.«
    Enrico sah sich zum wiederholten Mal in dem Raum um, der von einer provisorischen Lampe beleuchtet wurde, die ihre Stromzufuhr durch ein langes, schwarzes Kabel erhielt. »Ich vermisse Elena und Alexander.«
    »Die beiden haben eine andere Kerkerzelle«, sagte Custos.
    »Hier gibt es viele dieser zu unterirdischen Zimmern umgearbeiteten Höhlen, die sich als Gefängnis eignen.
    Gefängnisse allerdings, deren Design sehr exklusiv ist«, fügte der Papst mit Blick auf die Wandmalereien hinzu. »Eigentlich sollte das alles hier besser ein Museum sein, um die Kunstfertigkeit der Etrusker zu veranschaulichen.«
    »Die Etrusker«, wiederholte Enrico leise. »Sind wir in der Nähe von Borgo San Pietro?«
    Custos schüttelte den Kopf. »Gehen Sie auf der Landkarte ungefähr fünfhundert Kilometer nach Süden, Signor Schreiber, das kommt eher hin.«
    »Nach Süden?« Enrico überlegte kurz. »Dann müssten wir uns noch immer am Golf von Neapel befinden.«
    »So ungefähr. Genau genommen befinden wir uns im Monte Cervialto.«
    »Wir sind im Berg drinnen ?«
    »Ja. Hier gibt es eine alte Kultstätte der Etrusker, die der Öffentlichkeit unbekannt ist. Einige Mönche haben sie durch Zufall entdeckt, als sie zum Kreuz der großen Gnade pilgerten.
    Sie waren Totus Tuus eng verbunden, und der Orden hielt die Entdeckung unter Verschluss. Dabei ist es eine Entdeckung von bedeutenden Ausmaßen.«
    Als Enrico weiterhin verwirrt dreinsah, ergriff Vanessa das Wort: »Die Machtquelle, von der du in dem Reisetagebuch gelesen hast, Enrico.«
    »Was ist mit ihr?«

    »Kann es sein, dass sie gar nicht in der Umgebung von Borge San Pietro zu finden ist, sondern hier?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß noch nicht mal, um was für eine Macht es sich handelt. Aber irgendetwas muss die alte Etruskerstadt bei Borgo San Pietro verwüstet haben.«
    »Die Etrusker sind ein mysteriöses Volk, das uns sicher mehr als ein Geheimnis hinterlassen hat«, sagte Tomás Salvati.
    »Vielleicht gab es bei Borgo San Pietro etwas Ähnliches wie hier. Vielleicht existiert es dort noch immer, irgendwo tief unter der Erde verborgen.«
    »Aber was ist hier in dem Berg?«, fragte Enrico. Salvati sah ihn lange an, bevor er antwortete: »Der See.«
    »Der See?«
    »Der See aus unseren Träumen, Enrico. Hast du nicht gespürt, dass dein Traum stärker wurde, je näher du diesem Ort gekommen bist?«
    »Doch, ja«, lautete Enricos Antwort. Sie kam zögerlich über seine Lippen, denn sein Verstand beschäftigte sich schon wieder mit etwas anderem. »Du sprachst von unseren Träumen . Heißt das, auch du hast von dem See und dem

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