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Engelsgesang

Engelsgesang

Titel: Engelsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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dem er nur verlieren konnte.
    Voller Panik stieß er mit den Kniekehlen seinen Stuhl zurück, der krachend zu Boden fiel und stolperte Hals über Kopf Richtung Ausgang. Er hörte das Reißen von Stoff, als ihn eine Hand versuchte, am Gehen zu hindern. In seinen Ohren hallten die Rufe und das Gelächter der Studenten nach, als er schon lange auf der Straße war und durch den strömenden Regen rannte.

29.
    29.
     
    Ángel flüchtete sich in eine Telefonzelle. Erschöpft lehnte er sich gegen die Tür und strich sich das nasse Haar zurück. Der Regen floss an den Glasscheiben herab und ließ die Straßenlaternen dahinter verschwimmen.
    Er zwang seine zitternden Nerven zur Ruhe und begann, seine Taschen abzusuchen. Er zog einige Stücke Kleingeld heraus und warf einen Teil davon in den Geldschlitz. Vielleicht war heute genau der richtige Tag, um Maria abzuholen und mit ihr ein für allemal zu verschwinden. Er würde dies alles hinter sich lassen und für immer vergessen können.
    Ja, vergessen, das war das Beste, was er tun konnte. Damit hatte er bisher immer gute Erfahrungen gemacht. Das menschliche Gehirn war eine Maschine, die man wunderbar austricksen konnte. Man konnte einfach ein neues Kapitel aufschlagen und das alte verschließen. Einfach zuklappen, absperren und den Schlüssel verlieren. Dann war es so, als wäre es nie passiert.
    Er presste den Hörer an sein Ohr und lauschte auf das Freizeichen.
    „Van Campen“, bellte eine barsche Männerstimme nach wenigen Sekunden.
    Ángel knallte den Hörer augenblicklich auf die Gabel. Ein erneutes Zittern überfiel seinen Körper, das nicht von der nassen Kälte draußen kam. Er konnte es kaum unterdrücken.
    Obwohl er die Stimme nicht mehr hörte, sprach sie in seinem Kopf weiter: Ich krieg dich und dann nehme ich dich auseinander, Stück für Stück.
    Er kniff die Augen zusammen und presste sich die Hände auf die Ohren.
    Ich kenne da ein schönes Spiel, das werde ich dich lehren …
    Ein Schmerz explodierte hinter seiner Stirn, als er seinen Kopf mit ganzer Kraft gegen die Scheibe stieß. Wieder und wieder, bis er erschöpft niedersank und die Stimme endlich verstummte. Jetzt herrschte in seinem Kopf nur noch ein dumpfer Druck, der ihn am Denken hinderte.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange er dasaß und auf den pochenden Schmerz lauschte. Irgendwann wischte er sich das nasse Gesicht mit dem Unterarm ab. Waren das etwa Tränen? - Nein, es musste noch vom Regen sein. Warum sollte er auch heulen? Er hatte doch überhaupt keinen Grund.
    Die Erinnerung, die ihn fast dazu gebracht hatte, seinen Schädel an der harten Scheibe zu zertrümmern, hatte sein Gehirn schon wieder gnädig in einer der hintersten Kammern verschlossen. Dort waren sie sicher und würde ihn nicht belasten. Doch wehe, sie würden durch irgendein erschütterndes Ereignis wieder hervorgeholt werden …
    Doch das wusste Ángel nicht. Die Natur schützte ihre Individuen vor solchen Problemen, die sie nicht imstande waren, selbst zu bewältigen …
    Ángel beschäftigte sich schon wieder mit einem anderen Thema, dem er sich eher gewachsen fühlte: Wie konnte er an Geld kommen?
    Er hatte alles für diesen verfluchten Anzug ausgegeben, der zur Krönung jetzt auch noch völlig durchnässt und zerrissen war.
    Er lachte auf. Der Klang seiner Stimme zerriss das regelmäßige Prasseln der Regentropfen, die auf das Blechdach fielen. Geld? Nichts leichter als das. Er musste Valerie nur ein Angebot unterbreiten, dem sie nicht widerstehen konnte.
    Erneut warf er ein Geldstück in den Apparat und lauschte auf das Tuten des Freizeichens.
    „Ja, bitte?“, erklang überraschenderweise eine männliche Stimme.
    „Ähm“, stotterte Ángel. „Ich wollte Valerie sprechen. Ist sie da?“
    „Wer ist denn dran?“
    „Hier ist Ángel.“
    „Einen Moment.“
    Schritte waren zu hören, dann sprach der Mann: „Valerie, bist du für so einen An-chel zu sprechen?“ Einen Augenblick war es still, dann wurde der Hörer weitergegeben.
    „Ángel? Was willst du?“ Valeries Stimme war kühl, aber er konnte die Neugier trotzdem hören.
    „Ich habe eine Einverständniserklärung von meinem Vater. Sie können also alle Fotos mit mir machen, gerne auch die, die sie mit Martin gemacht haben“, sprudelte es aus ihm heraus.
    „Du meinst die La-petite-mort-Fotos?“
    Ángel verstummte. Was meinte sie damit? War das wieder eine Kunstrichtung von der er, wie so oft, keine Ahnung hatte?
    „Okay“, sagte Valerie. „Ich plane gerade eine

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