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Engelsgesicht

Engelsgesicht

Titel: Engelsgesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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drei Seiten durch recht hohe Hecken geschützt.
    Als Lintock vorging, zog sich Diana Crane zurück. Sie wartete an der Kirchenmauer auf ihn und schaute den Pfarrer etwas von unten her an.
    Diana war ein hübsches Mädchen. Besonders fielen ihre hellgrünen Augen auf. Auch die wenigen Sommersprossen in ihrem Gesicht störten da nicht. Mit dem volllippigen Mund konnte sie wunderbar lächeln, das hatte sie schon als Kind geschafft. Aber sie war kein Kind mehr, und sie lächelte auch nicht.
    »Gut, dann wollen wir mal.«
    Dagegen hatte Diana nichts einzuwenden. Neben dem Pfarrer ging sie her. Die Bank stand in dem kleinen Garten, der zum Haus gehörte. Er rahmte es praktisch ein und war auch so etwas wie ein Schutz.
    Diana sagte kein Wort. Mit gesenktem Kopf ging sie neben Cliff Lintock her. Sie wirkte wie eine Person, die ziemlich erschöpft war und sich nur noch mühsam aufrecht hielt.
    Das Thema sprach der Pfarrer nicht an. Diana hatte ihn besucht und nicht umgekehrt. Sie würde ihm schon sagen, wo sie der Schuh besonders heftig drückte.
    Als sie die Bank erreicht hatten und von drei Seiten durch die Hecke geschützt waren, ließ sich Diana mit einem Seufzen auf die hölzerne Sitzfläche fallen. Sie schloss für einen Moment die Augen, und wieder beobachtete sie der Pfarrer von der Seite her. Es dauerte ungefähr eine Minute, bis Diana die Augen wieder öffnete. Ihren Nebenmann schaute sie nicht an. Auch nicht, als Cliff Lintock zu sprechen begann.
    »Dass du bedrückt bist und Sorgen hast, sehe ich dir an. Du bist zu mir gekommen und jetzt möchte ich dich direkt fragen: Wo drückt dich der Schuh?«
    Diana Crane lächelt etwas gekünstelt. »Wo mich der Schuh drückt, das ist zu einfach gefragt.«
    »Aber immerhin ein Anfang.«
    »Stimmt. Ich weiß auch nicht, ob ich hier richtig bei Ihnen bin, aber ich hoffe es.« Sie räusperte sich. »Jeder von uns weiß ja, was hier in Wingmore passiert ist.«
    »Du denkst an die beiden Morde?«
    »Woran sonst?«
    Sie hörte sich zwar salbungsvoll an, aber der Pfarrer gab die Antwort trotzdem. »Da hat uns der Herrgott wohl eine schwere Prüfung auferlegt und uns gezeigt, dass das Leben nicht nur seine schönen und sonnigen Seiten hat.«
    »Herrgott? Nein...«
    Lintock horchte auf. »Weißt du mehr?«
    »Das kann sein.«
    »Bitte, ich höre.«
    »Ein Gott ist es nicht. Höchstens ein Götze. Es ist etwas ganz anderes. Es ist sie. Es ist das Engelsgesicht, das uns heimgesucht hat.«
    Lintock verstand nichts mehr. Er schüttelte den Kopf. Ihm wollte auch keine Erwiderung einfallen. Unter dem Begriff ›Engelsgesicht‹ konnte er sich nichts vorstellen.
    »Sie wissen nichts«, sagte Diana.
    »Das stimmt leider.«
    »Aber andere wissen Bescheid. Sie sagen es nur nicht, Mr. Lintock. Es bleibt im Geheimen und ist doch so präsent. Selbst die schnüffelnden Bullen haben nichts finden können.«
    »Das ist klar. Sonst hätten sie Wingmore nicht verlassen. Deinen Worten allerdings entnehme ich, dass du eventuell mehr über diesen Begriff weißt. Oder nicht?«
    »Ich weiß wenig, Mr. Lintock, aber ich habe es auch nicht nur einfach so dahingesagt.«
    »Das dachte ich mir.«
    Diana stemmte die Ellenbogen auf die Schenkel, stützte ihr Kinn gegen die Handballen und schaute nach vorn genau auf zwei Birken, deren Stämme hell glänzten. »Es ist nicht vorbei, Mr. Lintock, noch lange nicht. Es ist, wenn ich das sagen darf, so etwas wie ein Anfang gewesen. Es wird weitergehen, immer weiter, und ich glaube kaum, dass ihm jemand entkommen kann.«
    Der Pfarrer hütete sich davor, die Worte zu ernst zu nehmen und zu tief gehen zu lassen. »Entschuldige, aber du sprichst noch immer in Rätseln.«
    »Der Tod und das Grauen haben hier in Wingmore Einzug gehalten«, sagte sie mit leiser Stimme. »Das Grauen ist längst da. Viele wissen davon, aber nur wenige kennen es. Das Grauen hat ein Aussehen und...«
    »Ist es das Engelsgesicht?«
    Diana nickte sehr andächtig. »Sie haben Recht, Mr. Lintock, es ist das Engelsgesicht.«
    »Und weiter?«
    »Es wird den Ort beherrschen. Besonders die jungen Menschen. Sie wissen Bescheid, und die älteren sagen nichts. Sie kennen sich nicht aus, und sie wollen außerdem ihre Ruhe haben.«
    »Das ist nun mal so.«
    »Aber es ist falsch!«, stieß sie hervor. »Es ist auch falsch, dass die Bullen so schnell aufgegeben haben.«
    »Haben sie nicht. Es ist nur eine Pause in den Ermittlungen vor Ort eingetreten. So jedenfalls habe ich es gehört. Kann sein, dass ich mich

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