Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
Restaurantbesitzer Biederstätt ist einer der merkwürdigsten Fälle, der mir in meiner Laufbahn bisher untergekommenist. Wir haben alle möglichen Spuren verfolgt, aber sie endeten ausnahmslos im Nirwana. So etwas habe ich noch nie erlebt …«
Der Mord an Wolfgang Biederstätt war mit etlichen Artikeln durch die Presse gegangen und tagelang Hauptgesprächsstoff der Stadt gewesen. Biederstätt war in seinem eigenen Restaurant, dem Lübecker Kupferhaus, erschossen worden. Die Tat sah auf den ersten Blick nach einer Hinrichtung aus, doch alle Nachforschungen in Richtung organisierte Kriminalität waren im Sande verlaufen. Auch die Ermittlungen im privaten Umfeld des Ermordeten waren bisher wenig Erfolg versprechend gewesen. Mit jedem neuen, drückend warmen Tag, der verging, sank die Hoffnung, den Mordfall Biederstätt in kürzerer Zeit aufzuklären.
Rist schüttelte verwundert seinen langen Zopf: »Wolfgang Biederstätt war als Restaurantbesitzer bekannt und doch quasi eine öffentliche Person in Lübeck. Seid ihr nicht mit Hinweisen aus der Bevölkerung geradezu bombardiert worden?«
Marten Unruh, der ihm gegenüber am Fenster saß, wischte ungeduldig ein paar Krümel vom Tisch. »Da war nicht viel Brauchbares dabei! Alles an dem Fall ist irgendwie verquer. Weißt du, was die Spezialisten vom Dezernat für Schusswaffenerkennung herausgefunden haben? Bei der Tatwaffe soll es sich um einen alten Armeerevolver handeln. Kaliber 10,6 Millimeter.«
»Habt ihr den genauen Waffentyp?«
»Die Ballistiker schätzen, dass wir es mit dem alten Reichsrevolver M/79 zu tun haben. Der M/79 war die erste bei der Armee offiziell eingeführte Kurzwaffe in Deutschland. Hersteller war die Firma Sauer & Sohn, Schilling und Haenel aus Suhl. Seit Anno 1881, wohlgemerkt. Das Problem istnur, dass das Ding nicht nur bei der Armee, sondern auch über viele Jahre beim Zoll im Einsatz war. Wer weiß, wo solche Waffen noch überall unregistriert herumschwirren. Wir haben uns schon mit ein paar Waffensammlern unterhalten, aber noch keine konkrete Spur bis jetzt.«
»Wo ist dieser Biederstätt denn erschossen worden?«, fragte Rist.
»Im Weinkeller seines Restaurants«, antwortete Unruh. »Der Keller hat einen Außenzugang, das Schloss war aufgebrochen. Und Wolfgang Biederstätt hatte die Marotte, niemanden in seinen Weinkeller hereinzulassen. Jede einzelne Flasche für seine Gäste hat er selbst heraufgeholt. Er soll Angst gehabt haben, dass seine Angestellten ihm seinen kostbaren Wein stehlen.«
»An Wolfgang Biederstätt war so einiges sonderbar.« Gerlach legte sein Besteck zur Seite und sah in die Runde. »In der Klatschpresse erschien er dauernd zusammen mit irgendwelchen Damen der besseren Gesellschaft. Nach seinem Tod tauchte dann plötzlich sein schwuler Lebenspartner bei uns auf. Und der macht uns jetzt die Hölle heiß … Als ob wir nicht alles daran setzen würden, diesen Mordfall aufzuklären!«
»Vielleicht liegt es ja an euch, wenn ihr nicht mit ihm klarkommt?«, schaltete sich Pia in das Gespräch ein.
Gerlach sprang sofort auf die Bemerkung an. »Wenn du damit andeuten willst, dass es Schwierigkeiten gab, weil wir Vorurteile haben, dann liegst du damit falsch. Diese Typen sind es doch, die meinen, Polizisten seien grundsätzlich alle grob und dämlich!«
»So ist das mit den Vorurteilen …«, entgegnete Pia vielsagend.
Gerlach kochte, und Unruh runzelte verärgert die Stirn.
Pia Korittki fühlte sich schon seit längerem von der demonstrativen Einigkeit der Kollegen Unruh und Gerlach genervt. Vielleicht, so gestand sie sich zögernd ein, weil sie selbst in dieser Abteilung immer noch recht allein dastand.
»Früher oder später wird sich noch ein Hinweis ergeben«, meinte Rist und schob sich mit gequältem Grinsen den Eisbeutel zurecht.
»Und Heidmüller, unser Computerexperte, hat der auch noch nichts zu Tage gefördert?«, fragte Heinz Broders.
Seit nunmehr sechs Wochen teilte sich Pia Korittki ihr Büro mit Oswald Heidmüller. Bis auf die Tatsache, dass es nun in dem Raum den Luxus eines Minikühlschrankes gab, machte es für Pia jedoch kaum einen Unterschied, ob der Kollege da war oder nicht. Er kommunizierte fast ausschließlich mit seinem PC. Trotzdem hatte sie das Gefühl, ihn Broders gegenüber verteidigen zu müssen.
»Mit dem Fall Biederstätt hat Heidmüller nichts zu tun. Gabler hat ihn mit alten Akten zugeschüttet, die er bearbeiten soll.«
Broders grinste. »Vielleicht sollte er mal auf den Mord
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