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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Augenblick in den Hörer. „Hier ist der Empfang, ich habe Mr. Eysmont für Sie. Soll ich ihn hochschicken?“ Eine Pause, dann bedankte er sich und legte auf. Mit einer Hand wies er zu den beiden Fahrstühlen, von denen einer offen stand. „Sir, mein Kollege wird Sie zu Mr. Amaryllis’ Apartment fahren.“
    Der Portier, der den Aufzug bediente, war jung und trug Silbertressen an seiner Uniform. Er begrüßte Gabriel mit einer kleinen Verbeugung. „Vierzehnter Stock, Sir?“
    Geräuschlos glitten die Türen zu. Ein leichter Duft hing in der Luft, Citrus und Sandelholz. Als die Kabine stoppte, öffneten die Türen sich direkt in das Atrium eines Penthouseapartments. Die Architektur entlockte Gabriel ein dünnes Lächeln. Es passte zu Stephan. Sein Ziehbruder hatte seinen Sinn für Dramatik offenbar nicht verloren.
    Im schwarzen Marmorboden reflektierte sich ein Sternenhimmel winziger Halogenstrahler. Die Decke war mindestens sechs Meter hoch und verschwand vollständig im Schatten. Durch einen hohen Durchgang konnte er das Wohnzimmer sehen, ein großer Raum im Halbdunkel. Hinter ihm schloss sich der Aufzug. Paneele aus Teakholz verbargen den Schacht.
    „Stephan?“ Er öffnete seinen Geist und tastete nach Stephans Aura. Ein Funken Misstrauen flackerte auf, als er nichts fand, nicht einmal ein Flimmern im Äther. Dass er Thomasz nicht spürte, überraschte ihn dagegen nicht. Er erwartete nicht wirklich, dass Stephan ihn hier festhielt. Thomasz war Stephans Rückversicherung.
    Seine rechte Hand glitt unter die Jacke und tastete nach der SIG Sauer. Er zog die Pistole und klickte die Sicherung zurück, dann betrat er das Wohnzimmer. Sofort wurde sein Blick angezogen von einem beleuchteten Bilderrahmen, der auf dem Konzertflügel stand. Emily.
    Atemberaubend.
    Ein Geräusch alarmierte ihn, so fein, dass menschliche Sinne es nicht wahrgenommen hätten. Ein unterdrückter Atemzug. Er fuhr herum und begriff im gleichen Moment, dass sein Instinkt ihn getäuscht hatte. Dass er einem schrecklichen Irrtum erlegen war.
    Er spürte den Einschlag der Kugel in seiner Brust, bevor er das Flüstern der Schüsse hörte. Eine schallgedämpfte Automatik, dachte er noch, dann taumelte er rücklings gegen die Wand. Seine Glieder versagten, er ging zu Boden. Der Schmerz flammte auf wie weißes Feuer. Alle Geräusche waren verzerrt und gedämpft. Er wollte seine Pistole hochbringen, doch sein Arm gehorchte nicht. Die Waffe glitt aus nutzlos gewordenen Fingern und polterte auf die Marmorfliesen.
    Silhouetten lösten sich aus dem Dunkel. Etwas traf seine Kehle. Sein Mund füllte sich mit Blut. Ein Hieb raste auf ihn zu. Und dann war da nur noch Schwärze.

    „Können Sie nicht an dem Kerl vorbeifahren?“ Violet lehnte sich vor und starrte dem Taxifahrer auf den schwarz glänzenden Nacken. Der Mann hupte, dann wandte er den Kopf, die Miene purer Fatalismus.
    „Tut mir leid, Ma’am. Is nich meine Schuld. Sie seh’n ja, was hier los is.“
    Ihre Nerven lagen blank. Die Straßen in Downtown waren verstopft wie zu Michael Jacksons Trauerfeier. Es war Sonntagabend, verdammt. Hatten die Leute nichts Besseres zu tun, als hier im Stau zu stehen? Vor ihnen rollte ein umgebauter mexikanischer Blumentransporter, der offenbar Probleme mit dem Getriebe hatte, weil er an jeder verdammten Kreuzung zwei Minuten brauchte, um anzufahren. Und die Idioten auf der Nachbarspur ließen ihr Taxi nicht ausscheren.
    „Shit!“, fuhr sie die Rückseite der Sitze an.
    Sie hätte sich von Gabriel nicht breitschlagen lassen dürfen. Das war ihr fünf Minuten nach seinem Aufbruch klar geworden. Sein Vertrauen in Stephan hin oder her, ein Backup schadete nie. Mit jeder Sekunde, die sie länger in dieser Blechlawine eingeklemmt verbrachte, wuchs ihre Panik. Es war nicht einmal Stephan, dem sie verräterische Absichten unterstellte. Emily war es, die ihr Bauchschmerzen bereitete. Die Tatsache, dass ihre Schwester sich einfach mit ihrem Auto und dem Inhalt ihrer Brieftasche aus dem Staub gemacht hatte, erschütterte ein fundamentales Vertrauen, das trotz ihrer Differenzen immer da gewesen war.
    Wenn Stephan sie wirklich liebte, wie weit würde er für sie gehen? Andererseits, was hatte Emily mit Thomasz zu tun? Oder Gabriel? Sie biss sich auf die Lippen, bis es schmerzte, aber ihre Gedanken wurden nicht klarer. Es ergab keinen Sinn.
    Endlich setzte sich der verfluchte Laster wieder in Bewegung. Sie krochen die Spring Street hinunter, kreuzten eine weitere Ampel, dann

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