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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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dem Rausch mit dieser Frau zu ergeben. Ein Funken Wut sprang auf. Auf Violet, doch mehr auf sich selbst.
    Was, wenn seinem Vater etwas zugestoßen war, wenn Carl ihn in seine Gewalt gebracht hatte?
    Mit dem Daumen tastete Gabriel über die Naht auf der Unterseite des Drachenrings, wo das Schmuckstück gebrochen und repariert worden war. Die Ampel sprang um, er gab zu viel Gas, quietschend und rutschend nahm der Pick-up Fahrt auf.
    Sie verbrachten nicht viel Zeit miteinander, zu unterschiedlich waren ihre Ansichten. Doch die Blutsbande zwischen ihm und seinem Vater reichten tief. Er war auf Tomasz’ Wohlergehen bedacht und wusste, dass sein Vater umgekehrt genauso empfand.
    Hinter einer Unterführung voll Graffiti bog er in die Einfahrt zur Brewery und parkte hinter einer Batterie Müllcontainer. Die Pferdeskulptur aus Stahlstreben, die sich im Innenhof erhob, war über und über mit Lichterketten behängt.
    Die Szenerie wirkte auf unheimliche Weise normal und reflektierte so gar nicht das Tohuwabohu aus Empfindungen, das gegen seinen Geist brandete. Mit Efeu überwucherte Ziegelmauern flüsterten im nächtlichen Schatten, aus einer Werkstatt hallten Hammerschläge. Wind raschelte in den Blättern und zupfte an seinem Haar. Gabriel erklomm eine Betonrampe, die sich über die Front eines ehemaligen Lagerhauses zog. Das Holztor am Ende der Rampe stand offen, doch dahinter brannte kein Licht. Sein Unbehagen verstärkte sich.
    „Hallo?“, fragte er halblaut in die Stille.
    Die Hammerschläge klangen jetzt weiter entfernt. Er trat ein und tastete nach dem Wandschalter. Einen Augenblick später flammten die Lampen eines Kristalllüsters auf und tauchten den Loft in weiches Licht. Bücherregale bedeckten die Wände vom Boden bis zur hohen Decke. Seine Füße versanken im tiefblauen Teppich. Er blieb stehen und betrachtete den Schreibtisch seines Vaters, die schweren Möbel, die Stapel von Büchern und Zeitungen, die überall auf dem Boden aufgeschichtet lagen. Kein Zeichen eines gewaltsamen Einbruchs. Es sah aus, als sei Thomasz nur kurz hinausgegangen und würde jeden Moment zurückkehren.
    „Vater? Bist du da?“
    Niemand antwortete. In der Küche lag Obst aufgeschnitten auf einem Brett. Die Äpfel waren braun angelaufen, der Saft von Orangen und Trauben zu glänzenden Flecken getrocknet. Gabriel bückte sich nach dem Messer, das auf den Boden gefallen war, als plötzlich das Licht erlosch. Instinktiv packte er die kleine Waffe und fuhr herum. Nicht schnell genug. Im gleichen Moment spürte er die Bewegung hinter sich. Er erstarrte, als die unverwechselbare Schärfe einer Schwertklinge über seinen Nacken strich.

    Vor und zurück. Unablässig glitt Emilys Finger über das Mal. Vor und zurück. Als könnte sie es wegwischen. Sie hielt die Augen geschlossen, als die Tür über den Teppich schleifte.
    „Lass das Licht aus“, murmelte sie.
    Sie fühlte Stephans Schritte, anstatt sie zu hören. Feine Erschütterungen vibrierten in der Luft. Das verstörte sie noch mehr als die sichtbaren Zeichen, die überall an ihrem Körper wucherten. Wann hatten ihre Sinne diese Schärfe erlangt? Stephan streckte eine Hand nach ihr aus, auch das konnte sie fühlen.
    „Nicht.“
    Die Finger erstarrten in der Luft. Wie konnte er sich überhaupt durchringen, sie zu berühren? Empfand er Mitleid mit ihr?
    „Ich habe mir Sorgen gemacht“, sagte er.
    Emilys Kehle verengte sich. Mit dem Handrücken wischte sie eine Träne fort, die unter ihren Wimpern hervorquoll. Dann tastete sie zurück zu der Stelle, wo die Haut sich narbig und taub anfühlte. Die Flechte reichte nun bis zu ihrem Ohr und ließ sich nicht mehr verbergen. Emily war dankbar, dass er nicht fragte, wo sie gewesen war. Sie konnte ihm nicht offenbaren, welche Abmachung sie mit Carl getroffen hatte.
    „Ich liebe dich“, sagte Stephan. „Ich finde einen Weg.“
    Nein. Er würde das nicht verstehen.

    „Nimm das verdammte Schwert runter“, sagte Gabriel.
    Der Mann zögerte, dann hob sich das Gewicht von Gabriels Nacken. Das Licht flammte wieder auf.
    „Pascal.“
    Gabriel richtete sich auf und drehte sich um. Er musterte den hageren, schwerknochigen Mann, der ein enger Freund seines Vaters war. Pascal war Waffenschmied. Ein Handwerker, kein Krieger. Dass er mit entblößter Klinge in der Hand vor ihm stand, war der untrügliche Beweis, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war.
    Vom Eingang näherten sich zwei weitere Schattenläufer. Ihre Aura vibrierte schärfer und

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