Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
Scheinwerferlicht streifte eine Böschung, Grasbüschel, ein Stück der Sandpiste. Violet löste den Gurt und stieß die Tür auf. Sofort hörte sie ein leises Schaben. Sand knirschte. Rasch umrundete sie die Front des Wagens, der Scheinwerfer blendete sie für einen Moment und da war eine Bewegung im Schatten hinter dem Radkasten. Sie ging in die Knie, um besser erkennen zu können, was es war.
    Aus dem Dunkeln schoss etwas auf sie zu, eine Explosion aus Fell und Schatten und heißem Atem. Ein hoher Ton schrillte in ihren Ohren, halb Jaulen, halb Knurren. Mit einem Schrei fuhr sie zurück. Sie stürzte auf ihre Handflächen, der Herzschlag explodierte in ihrer Kehle. Endlich begriff sie, dass das Biest irgendwie festhing, während es geiferte und nach ihr schnappte. Ein Bein war unter dem Reifen gefangen.
    Violet kroch rückwärts, stolperte auf die Füße und brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sich und das wütende Tier. Es hatte die Größe und Gestalt eines Kojoten, doch etwas stimmte nicht. Sie konnte nicht ausmachen, was es war, denn die Kreatur gebärdete sich wie ein rasender Dämon. Der Sand um den Reifen war blutgetränkt.
    Was sollte sie tun? Sie konnte sich dem Kojoten nicht nähern, ohne angegriffen zu werden. Doch wenn sie einfach weiterfuhr, mochte er sich Stunden oder Tage quälen, um dann zwischen den Steinen zu verrecken.
    Die Laute, die er ausstieß, steigerten sich allmählich zu einem hohen Kreischen, das ihr einen Schauder über den Rücken jagte. Kurz entschlossen trat sie zurück an den Wagen und packte die Browning vom Beifahrersitz. Als sie wieder aus der Tür auftauchte, sah sie, dass der Kojote sein Bein losgerissen hatte und auf sie zukroch, quälend langsam mit verdrehten Gliedern. Die Lefzen entblößten ein Furcht einflößendes Gebiss. Der Anblick riss ein urtümliches Entsetzen in Violet auf. Im Impuls zog sie die Waffe hoch und jagte fast das gesamte verbliebene Magazin in den Leib der Kreatur.
    Ihr Atem ging wie eine stampfende Schiffsturbine. Sie fühlte sich plötzlich, als würden überall in der Dunkelheit Schatten lauern. Bestien, die darauf warteten, über sie herzufallen, wenn sie ihnen den Rücken zuwandte. Das war idiotisch, das wusste sie, aber es gelang ihr trotzdem kaum, die Panik zu kontrollieren. Mit zittrigen Knien näherte sie sich dem Kadaver. Sie stieß mit dem Fuß dagegen, um sicherzugehen, dass das Tier tot war. Und dann wurde ihr klar, was damit nicht stimmte. Aus der Nähe sah es noch immer aus wie ein Kojote, doch wie einer, der unter einer schrecklichen Krankheit litt. Das Fell war zu Büscheln verklebt, ganze Hautpartien schimmerten nackt und bläulich, andere waren von dickem rotem Schorf bedeckt, der einen Fluchtreflex in Violet auslöste. Brust und Vorderläufe wirkten zu schwer und muskulös für den Leib, die Pfoten endeten in langen Krallen. Ein übergroßes Gebiss entstellte den Schädel zur Fratze.
    Was zur Hölle war das? Ein schief gelaufenes Genexperiment, eine Kreuzung zwischen Hyäne und einem Berglöwen?
    Das musste sie Marshall zeigen. Wie betäubt zückte sie ihr Handy und machte ein paar Fotos, dann taumelte sie zurück in den Wagen. Ihre Hände am Lenkrad zitterten noch lange, nachdem sie den Freeway erreicht hatte.

8
    G
abriel wusste schon ein paar Blocks entfernt, dass etwas nicht stimmte.
    Sein Vater bewohnte einen Loft in der Brewery, einer Künstlerkolonie auf dem Gelände einer ehemaligen Industriebrauerei. Thomasz war nicht der Einzige vom Blut, der sich dort niedergelassen hatte. Gabriel kannte ein halbes Dutzend Schattenläufer, die ebenfalls in der Brewery lebten, einige von ihnen Thomasz’ engste Freunde und Gefährten.
    Wie jeder vom Blut konnte auch Gabriel die Nähe anderer Schattenläufer spüren, wenn diese ihren Geist nicht bewusst abschirmten. Als er sich der Brewery näherte, fühlte es sich an, als würde er in ein Feld extrem starker statischer Aufladung eindringen. Die Luft knisterte förmlich, hektisch und rastlos wie ein aufziehendes Gewitter. Die Gemeinschaft befand sich in hellem Aufruhr.
    Der geistige Tumult krachte wie eine Sturmflut in sein Bewusstsein. Etwas war geschehen. Vielleicht hatte er Carl unterschätzt. Sein Magen zog sich zusammen. Unstet trommelte er mit den Fingern auf das Lenkrad, während er darauf wartete, dass die Ampel auf Grün sprang. Er hatte einen ganzen Tag verloren, weil er sorglos gewesen war. Noch in der gleichen Nacht hätte er nach Los Angeles fahren müssen, statt sich

Weitere Kostenlose Bücher