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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hindurchdringen und nirgends haften bleiben. Ich kann diese verschiedenen Dimensionen nicht mehr entwirren. Wie ein kaputtes Kaleidoskop mit unterschiedlichsten Mustersplittern sieht es in meinem Hirn aus, keins passt zum anderen. Das Chaos in meinem Kopf nimmt stetig zu, obwohl man mir prophezeit hat, dass es mithilfe dieser neuen Tabletten besser würde. Nichts dergleichen ist geschehen! Ich bin und fühle alles gleichzeitig, ich bin die Rose mit den Stacheln, deren Stängel man durchtrennt hat, und ich bin der schillernde Käfer auf dem Waldweg, den man achtlos tottritt. Ich spüre, wie Nägel durch meine Füße und Hände getrieben werden. Ich sehe das Blut fließen, warm und stetig. Ich fühle mich in tausend Teile zersplittert und gleichzeitig ganz. Es ist alles völlig widersprüchlich. Anfang und Ende meines Lebens liegen ganz dicht beieinander. Wenn ich nicht schon verrückt bin, dann stehe ich kurz davor, es zu werden.‹
    Ihre Augen klebten an den Wörtern, die ihr vom Bildschirm entgegenstrahlten. Jedes einzelne Wort, dessen Bedeutung sie nur allzu gut verstand, sog sie in sich auf. Die Worte lösten sich vom Monitor, begannen zu tanzen und verwandelten sich in Bilder. Drangen langsam in sie ein. Durch ihre Pupillen, durch die Haut in ihren Körper.
    Wie ferngesteuert stand sie auf und legte eine CD in den Player. Melancholische Klaviertöne erklangen. Wenig später erfüllte den Raum eine kraftvolle Stimme, die klagend sang: ›I’m so tired of being here, suppressed by all my childish fears.‹
    Sie dachte an das Feuer, das sie innerlich verbrannte.
    ›These wounds won’t seem to heal, this pain is just too real …‹
    Sie fühlte die Tränen aufsteigen. Warm wie Blut. Die Umgebung verschwamm vor ihren Augen.
    ›There’s just too much that time cannot erase …‹
    Die Tränen liefen ihre Wangen hinab und tropften auf die Tastatur. Sie schluchzte laut auf.
    Draußen dämmerte es inzwischen. Drüben im Nachbarhaus flammte ein Licht auf. Durch den Tränenschleier hindurch sah sie, wie sich im Innern des Zimmers Schatten bewegten. Menschen hinter Glas, die nichts mit ihr gemein hatten.

3
    Wo bis vor Kurzem noch Bauzäune die Blicke begrenzten und sich unschöne Erdhügel türmten, blühten Bäume, Sträucher und üppige Blumenarrangements. Die Sonne, die von Zeit zu Zeit zwischen Wolkenbergen hindurchbrach, ließ die kräftigen Farben der Frühlingsblumen und das junge Grün in intensivem Licht erstrahlen. Eine wahre Wohltat nach dem langen, grauen Winter.
    Es waren nur noch ein paar Tage bis zur Eröffnung der Bundesgartenschau. Ganz Koblenz fieberte diesem Ereignis entgegen. Franca Mazzari schlenderte durch die Altstadtgassen. Sie hatte schlecht geschlafen und die frische Luft tat ihr gut. Wieder einmal freute sie sich darüber, in dieser Stadt mit ihrer denkwürdigen Geschichte leben zu dürfen.
    ›Ich bin glücklich!‹, soll Napoleon begeistert ausgerufen haben, als er im Jahr 1804 von den Koblenzern empfangen wurde. Franca lächelte. Doch, das konnte sie nachempfinden. Noch immer strahlte die Stadt eine Ehrwürdigkeit aus mit ihren vielen historischen Gebäuden und dieser interessanten Lage an den beiden Flüssen Rhein und Mosel. Und nun kamen all die baulichen und gärtnerischen Veränderungen hinzu, die sich rund um das Deutsche Eck, das Kurfürstliche Schloss und oben auf der Festung Ehrenbreitstein im Zuge der BUGA ergeben hatten.
    Viele Anwohner und Restaurantbesitzer waren dem Aufruf gefolgt, die Gartenschau als ihr Anliegen zu verstehen und ihren Anteil an Verschönerungen zu leisten. So erblickte man auf Schritt und Tritt liebevoll gestaltete Vorgärten oder bepflanzte Blumenkübel.
    Am Rathausplatz war eine Countdown-Uhr installiert, die in leuchtend roten Ziffern nicht nur die verbleibenden Tage, sondern auch die Stunden und Sekunden bis zur Eröffnung der Bundesgartenschau anzeigte. ›Diese Uhr soll uns immer mahnend daran erinnern, dass viele Güter vermehrbar sind – nicht aber die Zeit‹, so wurde die Installation dieser Uhr begründet.
    Wie viel sich in der Stadt verändert hatte, war für jeden aufmerksamen Beobachter ersichtlich. Insgesamt war das Stadtbild ansprechender geworden, auch waren einige Schandflecke verschwunden. Doch nicht alles, was mit der BUGA zusammenhing, war mit Wohlwollen aufgenommen worden. Die Wirtschafts- und Finanzkrise war auch an Koblenz nicht spurlos vorbeigegangen.
    So wurde das Mega-Ereignis unter anderem vom Bund der Steuerzahler als ein

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