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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Stunden geflogen waren.
    Endlich hörte man Schritte im Haus, dann ein Poltern, als jemand offensichtlich eine Treppe herunterkam. Daniel stieß die Luft aus und schloss erleichtert die Augen, als der Messingknauf sich drehte. Angeln quietschten, als die Tür aufschwang.
    »Wer zum Teufel …« Die drahtigen weißen Haarbüschel standen dem alten Italiener nach allen Seiten vom Kopf ab. Er hatte außergewöhnlich buschige weiße Augenbrauen, einen ebensolchen Schnurrbart und dichtes weißes Brusthaar, das ihm aus dem V-Ausschnitt der dunkelgrauen Robe quoll.
    Luce sah Daniel überrascht blinzeln, als dachte er, er hätte sich in der Adresse geirrt. Dann leuchteten die blassbraunen Augen des alten Mannes auf. Er taumelte vor und zog Daniel in eine kräftige Umarmung.
    »Ich habe mich schon langsam gefragt, ob du mich wohl besuchen würdest, bevor ich den Löffel abgebe«, flüsterte der Mann heiser. Sein Blick wanderte zu Luce, und er lächelte, als hätten sie ihn nicht geweckt, als hätte er sie seit Monaten erwartet. »Nach all den Jahren hast du endlich Lucinda mitgebracht. Ist das schön!«

    Sein Name war Professor Mazotta. Er und Daniel hatten in den Dreißigern an der Universität von Bologna zusammen Geschichte studiert. Er war nicht erschreckt oder verwirrt darüber, dass Daniel nicht alterte: Mazotta kannte Daniels wahres Wesen. Er schien nur Freude darüber zu empfinden, wieder mit einem alten Freund vereint zu sein, eine Freude, die dadurch verstärkt wurde, dass er der Liebe des Lebens dieses Freundes vorgestellt wurde.
    Er geleitete sie in sein Büro, das gleichzeitig eine Studie über verschiedene Stufen des Verfalls war. Seine Bücherregale bogen sich in der Mitte durch, auf seinem Schreibtisch türmten sich vergilbende Stapel Papier und der zerschlissene Teppich war mit Kaffeeflecken übersät. Mazotta machte sich sofort daran, ihnen eine Tasse starke heiße Schokolade zu kochen – die alte schlechte Gewohnheit eines alten Mannes, krächzte er Luce zu und knuffte sie in die Seite. Daniel nippte nur kurz an seiner Schokolade, bevor er sein Buch bei den Beschreibungen der ersten Reliquie aufschlug und es Mazotta in die Hand drückte.
    Mazotta setzte eine dünne Drahtbrille auf und überflog rasch die Seite, wobei er auf Italienisch vor sich hin murmelte. Er erhob sich, ging zu dem Bücherregal, kratzte sich den Kopf, drehte sich zum Schreibtisch um, lief im Büro auf und ab, nippte an seinem Kakao und kehrte dann zu dem Bücherregal zurück, um einen dicken, in Leder gebundenen Band herauszuziehen. Luce unterdrückte ein Gähnen. Ihre Lider fühlten sich an, als hätten sie große Mühe, etwas Schweres oben zu halten. Sie versuchte, nicht einzunicken, und kniff sich in die Hand, um wach zu bleiben. Doch die Stimmen von Daniel und Professor Mazotta trafen sich wie ferne Nebelwolken, während sie über die Unmöglichkeit dessen stritten, was der jeweils andere sagte.
    »Es handelt sich auf gar keinen Fall um eine Fensterscheibe aus der Ignatiuskirche.« Mazotta rang die Hände. »Sie sind leicht hexagonal und diese Abbildung ist unverkennbar länglich.«
    »Was tun wir hier?«, rief Daniel plötzlich so heftig, dass ein Bild von einem blauen Segelboot an der Wand klirrte. »Wir sollten in der Bibliothek in Bologna sein. Hast du noch die Schlüssel? In deinem Büro musst du …«
    »Ich bin seit dreizehn Jahren emeritiert, Daniel. Und wir reisen nicht zweihundert Kilometer durch die Nacht, nur um uns …« Er hielt inne. »Nun sieh dir Lucinda an, sie schläft im Stehen, wie ein Pferd!«
    Lucinda verzog schläfrig das Gesicht. Sie hatte Angst davor, in einen Traum zu gleiten, in dem sie Bill treffen könnte. Er neigte neuerdings dazu, aufzutauchen, wenn sie die Augen schloss. Sie wollte wach bleiben, wollte ihm fernbleiben, wollte an dem Gespräch über die Reliquie teilnehmen, die sie und Daniel am nächsten Tag würden finden müssen. Aber der Schlaf war beharrlich und ließ sich nicht zurückweisen.
    Sekunden oder Stunden später hob Daniel sie vom Boden hoch und trug sie eine dunkle, enge Stiege hinauf.
    »Es tut mir leid, Luce«, glaubte sie ihn sagen zu hören. Sie schlief zu fest, um zu antworten. »Ich hätte dich früher schlafen lassen sollen. Ich habe einfach solche Angst«, flüsterte er. »Angst, dass uns die Zeit davonlaufen wird.«

    Luce blinzelte überrascht. Sie lag in einem Bett und auf dem Tischchen daneben stand in einer niedrigen Glasvase eine weiße Pfingstrose.
    Sie nahm die Blume

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