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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Strickjacke, die wie eine Fahne an dem kleinen Körper der alten Frau wehte. Und die ganze Zeit hielt Luce Daniels Hand fest.
    Hier und da verfing der Sandsturm sich hinter einem Felsbrocken und schuf einen kurzen Moment der Sichtbarkeit. In einem dieser Augenblicke entdeckte Luce einen blassgrünen Fleck in der Ferne. Er befand sich an einem Pfad viele Hunderte Schritt über ihnen und genauso weit rechts von der Stelle, an der sie standen. Dieser leichte Farbklecks war das Einzige, was den Rhythmus der kargen Sepia-Landschaft auf Meilen durchbrach. Luce starrte ihn an, als sei er eine Fata Morgana, bis Dee sie an der Schulter berührte.
    »Das ist unser Ziel, Liebes. Es ist gut, den Preis im Auge zu behalten.«
    Dann riss der Sturm sich von den Kanten des Felsens los, Staub wirbelte auf, und der grüne Fleck war verschwunden. Die Welt wurde wieder zu einer Masse körniger Kugeln.
    Bilder von Bill schienen sich in dem wirbelnden Sand zu bilden: die Art, wie er bei ihrer ersten Begegnung gelacht hatte, wie er sich von einem falschen Daniel in eine Kröte verwandelt hatte, sein unergründlicher Gesichtsausdruck, als sie im Globe Theatre Shakespeare kennengelernt hatte. Die Bilder halfen Luce, sich aufzurichten, wenn sie auf dem Pfad stolperte. Sie würde nicht stehen bleiben, bis sie den Teufel besiegt hatte.
    Bilder von Gabbe und Molly trieben Luce ebenfalls weiter. Das Aufblitzen ihrer Flügel in zwei großen goldenen und silbernen Bögen kam ihr wieder vor Augen.
    Du bist nicht müde, sagte sie sich. Du hast keinen Hunger.
    Schließlich ertasteten sie sich ihren Weg um einen hohen Felsblock herum, der wie eine Pfeilspitze geformt war, die in den Himmel wies. Dee bedeutete ihnen, dass sie an der Seite der Pfeilspitze, die dem Berg zugewandt war, zusammenrücken sollten, und dort erstarb endlich der Wind.
    Die Dämmerung war hereingebrochen. Die Berge trugen ein dunkler werdendes silbernes Kleid. Sie standen auf einem Plateau, das ungefähr so groß war wie Luces Wohnzimmer zu Hause. Bis auf eine schmale Lücke, wo sie den Pfad verlassen hatten, erhoben sich rings um die kleine, runde Fläche schroffe rötliche Hänge, die einen Raum bildeten, der als natürliches Amphitheater hätte dienen können. Er schützte sie vor mehr als nur dem Wind: Selbst wenn kein Sandsturm getobt hätte, wäre der größte Teil des Plateaus durch den Pfeilspitzenfels und die hohen, umliegenden Hänge verborgen gewesen.
    Hier konnten sie von niemandem, der den Pfad heraufkam, gesehen werden. Verfolger der Waage würden über sie hinwegfliegen, ohne sie zu bemerken. Es war eine Art Zuflucht.
    Die Geister von Flüssen hatten gewundene Adern in dem staubverkrusteten Boden hinterlassen. Links von dem Pfeilspitzenfels öffnete sich am Fuße der Felswand der zerklüftete Eingang einer Höhle.
    Am anderen Ende des Plateaus, ein Stück rechts von der Stelle, an der sie standen, war ein Erdrutsch den Steilhang heruntergekommen. Das Geröll bestand aus Steinbrocken, die von der Größe her zwischen klein wie ein Schneeball und größer als ein Kühlschrank rangierten. Flechten wuchsen aus den Felsritzen und schienen die Felsblöcke an dem Hang zusammenzuhalten.
    Ein Olivenbaum mit blassen Blättern und ein kleiner Feigenbaum mühten sich, diagonal um die Felsen am Hang herumzuwachsen. Dies musste der grüne Fleck gewesen sein, den Luce aus der Ferne gesehen hatte. Dee hatte gesagt, dies sei ihr Ziel, aber Luce konnte kaum glauben, dass sie den langen steilen Weg durch den wirbelnden Staub geschafft hatten.
    Die Flügel der Engel sahen aus, als gehörten sie Outcasts, braun und zerfetzt, und sie gaben nur ein dumpfes Licht ab. Die Flügel der echten Outcasts sahen noch zerbrechlicher aus als sonst, wie Spinnweben. Dee wischte sich den Staub mit einem vom Wind gedehnten Pulloverärmel vom Gesicht. Dann fuhr sie sich mit rot lackierten Fingernägeln durch das wilde rote Haar. Irgendwie sah die alte Dame immer noch elegant aus. Luce wollte nicht darüber nachdenken, wie sie selbst aussah.
    »Keine Minute Untätigkeit!« Dees Stimme verlor sich, als sie in der Höhle verschwand.
    Sie folgten ihr hinein und blieben nach wenigen Schritten stehen, wo das Dämmerlicht in Dunkelheit überging. Luce lehnte sich neben Daniel an eine kalte Sandsteinwand. Er stieß mit dem Kopf beinahe an die niedrige Decke. Alle Engel mussten die Flügel einziehen, um sich an die Enge in der Höhle anzupassen.
    Luce hörte ein kratzendes Geräusch und dann streckte sich Dees

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