Engelslicht
Mädchen gefragt, was sie gerne isst. Sie hat mich zu etwas geführt, das sie als Falafel-Stand bezeichnet hat.« Phil zuckte die Achseln.
»Willst du damit sagen, ich blicke auf einen massiven Falafelklotz?« Roland zog zweifelnd die Augenbraue hoch und betrachtete Vincents ausgebeulte Tasche.
»Oh nein«, sagte Vincent. »Die Outcasts haben auch Hummus gekauft, Pita, eingelegtes Gemüse, einen Behälter mit etwas, das Taboulé heißt, außerdem Gurkensalat und frischen Granatapfelsaft. Hast du Hunger, Lucinda Price?«
Es war eine absurde Menge köstlicher Speisen. Irgendwie kam es ihnen falsch vor, auf den Altären zu essen, daher breiteten sie das Sammelsurium auf dem Boden aus, und alle – Outcasts, Engel und Sterbliche – machten sich darüber her. Die Stimmung war ernst, aber das Essen war sättigend und heiß und genau das, was sie alle zu brauchen schienen. Luce zeigte Olianna und Vincent, wie man ein Falafel-Sandwich machte, Cam bat Phil sogar, ihm den Hummus zu reichen. Irgendwann flog Arriane zum Fenster hinaus, um neue Kleider für Luce zu suchen. Sie kehrte mit einer verblichenen Jeans zurück, einem weißen T-Shirt mit V-Ausschnitt und einer coolen israelischen Splitterschutzweste mit einem Aufnäher, der eine orangegelbe Flamme darstellte.
»Dafür musste ich einen Soldaten küssen«, stellte sie fest, aber ihrer Stimme fehlte die angeberische Leichtigkeit, die sie gehabt hätte, wenn sie ihre Show auch vor Gabbe und Molly abgezogen hätte.
Als keiner von ihnen mehr essen konnte, erschien Dee in der Tür. Sie begrüßte die Outcasts höflich und legte Daniel eine Hand auf die Schulter. »Hast du die Reliquie, mein Lieber?«
Bevor Daniel antworten konnte, entdeckte Dee den Kelch. Sie hob ihn hoch, drehte ihn in den Händen und untersuchte ihn sorgfältig von allen Seiten. »Die silberne Feder«, flüsterte sie. »Hallo, alter Freund.«
»Ich schätze, sie weiß, was man damit machen muss«, meinte Cam.
»Sie weiß es«, antwortete Luce.
Dee zeigte auf eine Messingplatte, die in eine der Längsseiten des Kelchs eingelassen war, und murmelte leise vor sich hin, als würde sie lesen. Sie strich über das eingravierte Bild. Luce rückte näher heran, um es besser sehen zu können. Es glich Engelsflügeln im freien Fall.
Schließlich schaute Dee mit einem seltsamen Ausdruck zu ihnen auf. »Nun, jetzt ergibt alles einen Sinn.«
»Was ergibt einen Sinn?«, fragte Luce.
»Mein Leben. Meine Aufgabe. Wohin wir gehen müssen. Es ist Zeit.«
»Zeit wofür?«, hakte Luce nach. Sie hatten jetzt alle Reliquien beisammen, aber was mussten sie nun tun?
»Zeit für meinen letzten Akt, Liebes«, erwiderte Dee warm. »Keine Sorge, ich werde euch Schritt für Schritt führen.«
»Zum Berg Sinai?« Daniel erhob sich vom Boden und half Luce auf die Füße.
»Fast.« Dee schloss die Augen und holte tief Luft, als wollte sie die Erinnerung aus ihren Lungen ziehen. »Es gibt dort zwei Bäume in den Bergen, etwa eine Meile oberhalb des Katharinenklosters. Dort müssen wir hin. Die Stelle heißt Qayom Malak.«
»Qayom Malak … Qayom Malak«, wiederholte Daniel. Die Worte klangen wie Kajome Malaka. »Darüber steht etwas in meinem Buch.« Er zog den Reißverschluss der Tasche auf und blätterte leise murmelnd einige Seiten um. Schließlich hielt er Dee das Buch hin. Luce trat vor, um ebenfalls hineinzuschauen. Unten auf Seite hundert zeigte Daniel auf eine verblasste Notiz, die in einer Sprache geschrieben war, die Luce nicht kannte. Neben der Notiz hatte er dreimal die gleiche Gruppe von Buchstaben geschrieben:
QYWM’ ML’K’. QYWM’ ML’K’. QYWM’ ML’K’.
»Gut gemacht, Daniel.« Dee lächelte. »Du hast es die ganze Zeit über gewusst. Obwohl Qayom Malak für moderne Zungen viel leichter auszusprechen ist als …« Sie gab eine Abfolge von komplizierten kehligen Lauten von sich, die Luce nicht hätte wiederholen können.
»Aber ich weiß nicht, was es bedeutet«, sagte Daniel.
Dee schaute zu dem offenen Fenster hinaus, auf den Nachmittagshimmel über der heiligen Stadt. »Schon bald wirst du es wissen, mein Junge. Sehr bald wirst du es wissen.«
Dreizehn
Die Ausgrabung
Über ihr das Rauschen schlagender Flügel.
Schwaden ziehender Wolken, die ihr über die Haut glitten.
Luce stieg durch die Dunkelheit berauscht in die Höhe. Sie war so schwerelos wie der Wind.
Ein einziger Stern hing in der Mitte des dunkelblauen Himmels, hoch über dem hellen Band am Horizont in den Farben des
Weitere Kostenlose Bücher